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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Die Geschwitz 
    Stück: Die Büchse der Pandora 
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1904 
    Originalsprache: Deutsch


    3. Akt

    Die Geschwitz allein. 

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    22059854 22059854 XlDIE GESCHWITZ: (läßt den Revolver sinken) Lieber erhängen! – Wenn sie mich heute in meinem Blute liegen sieht, weint sie mir keine Träne nach. Ich war ihr immer nur das gefügige Werkzeug, das sich zu den schwierigsten Arbeiten gebrauchen ließ. Sie hat mich vom ersten Tage an aus tiefster Seele verabscheut. – Springe ich nicht lieber von der Towerbrücke hinunter? Was mag kälter sein, das Wasser oder ihr Herz? – Ich würde träumen, bis ich ertrunken bin. – – Lieber erhängen! – – Erstechen? – Hm, es kommt nichts dabei heraus. – – Wie oft träumte mir, daß sie mich küßt! Noch eine Minute nur; da klopft eine Eule ans Fenster, und ich erwache. – – Lieber erhängen! – Nicht in die Themse; das Wasser ist zu rein für mich. (Plötzlich auffahrend) Da! – Da! – Da ist es! – Rasch noch, bevor sie kommt! (Sie nimmt den Plaidriemen von der Wand, steigt auf den Sessel, befestigt den Riemen an einem Haken, der im Türpfosten steckt, legt sich den Riemen um den Hals, stößt mit den Füßen den Stuhl um und fällt zur Erde) – – Verfluchtes Leben! – Verfluchtes Leben! – – Wenn es mir noch bevorstände? – Laß mich einmal nur zu deinem Herzen sprechen, mein Engel! Aber du bist kalt! – Ich soll noch nicht fort! Ich soll vielleicht auch einmal glücklich gewesen sein. – Höre auf ihn, Lulu; ich soll noch nicht fort! – (Sie schleppt sich vor Lulus Bild, sinkt in die Knie und faltet die Hände) Mein angebeteter Engel! Mein Lieb! Mein Stern! – Erbarm dich mein, erbarm dich mein, erbarm dich mein!

     


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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Männer / Schauspieler 

    Rolle: Hänschen Rilow 
    Stück: Frühlings Erwachen
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1891 
    Originalsprache: Deutsch


    2. Akt, 3. Szene

    Hänschen Rilow allein. 

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    21918283 21918283 XlHÄNSCHEN RILOW: (ein Licht in der Hand, verriegelt die Tür hinter sich und öffnet den Deckel) Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona? (Er zieht eine Reproduktion der Venus von Palma Vecchio aus dem Busen) – Du siehst mir nicht nach Vaterunser aus, Holde – kontemplativ des Kommenden gewärtig, wie in dem süßen Augenblick aufkeimender Glückseligkeit, als ich dich bei Jonathan Schlesinger im Schaufenster liegen sah – ebenso berückend noch diese geschmeidigen Glieder, diese sanfte Wölbung der Hüften, diese jugendlich straffen Brüste – o, wie berauscht von Glück muß der große Meister gewesen sein, als das vierzehnjährige Original vor seinen Blicken hingestreckt auf dem Diwan lag! Wirst du mich auch bisweilen im Traum besuchen? – Mit ausgebreiteten Armen empfang' ich dich und will dich küssen, daß dir der Atem ausgeht. Du ziehst bei mir ein wie die angestammte Herrin in ihr verödetes Schloß. Tor und Türen öffnen sich von unsichtbarer Hand, während der Springquell unten im Parke fröhlich zu plätschern beginnt... Die Sache will's – Die Sache will's! – Daß ich nicht aus frivoler Regung morde, sagt dir das fürchterliche Pochen in meiner Brust. Die Kehle schnürt sich mir zu im Gedanken an meine einsamen Nächte. Ich schwöre dir bei meiner Seele, Kind, daß nicht Überdruß mich beherrscht. Wer wollte sich rühmen, deiner überdrüssig geworden zu sein! Aber du saugst mir das Mark aus den Knochen, du krümmst mir den Rücken, du raubst meinen jungen Augen den letzten Glanz. – Du bist mir zu anspruchsvoll in deiner unmenschlichen Bescheidenheit, zu aufreibend mit deinen unbeweglichen Gliedmaßen! – Du oder ich! – Und ich habe den Sieg davongetragen. Wenn ich sie herzählen wollte – all die Entschlafenen, mit denen ich hier den nämlichen Kampf gekämpft! –: Psyche von Thumann – noch ein Vermächtnis der spindeldürren Mademoiselle Angelique, dieser Klapperschlange im Paradies meiner Kinderjahre; Io von Corregio; Galathea von Lossow; dann ein Amor von Bouguereau; Ada von J. van Beers – diese Ada, die ich Papa aus einem Geheimfach seines Sekretärs entführen mußte, um sie meinem Harem einzuverleiben; eine zitternde, zuckende Leda von Makart, die ich zufällig unter den Kollegienheften meines Bruders fand – sieben, du blühende Todeskandidatin, sind dir vorangeeilt auf diesem Pfad in den Tartarus! Laß dir das zum Troste gereichen und suche nicht durch diese flehentlichen Blicke noch meine Qualen ins Ungeheure zu steigern. Du stirbst nicht um deiner, du stirbst um meiner Sünden willen! – Aus Notwehr gegen mich begehe ich blutenden Herzens den siebenten Gattenmord. Es liegt etwas Tragisches in der Rolle des Blaubart. Ich glaube, seine gemordeten Frauen insgesamt litten nicht so viel wie er beim Erwürgen jeder einzelnen. Aber mein Gewissen wird ruhiger werden, mein Leib wird sich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rotseidenen Polstern meines Schmuckkästchens residierst. Statt deiner lasse ich dann die Lurlei von Bodenhausen oder die Verlassene von Linger oder die Loni von Defregger in das üppige Lustgemach einziehen – so werde ich mich um so rascher erholt haben! Noch ein Vierteljährchen vielleicht, und dein entschleiertes Josaphat, süße Seele, hätte an meinem armen Hirn zu zehren begonnen wie die Sonne am Butterkloß. Es war hohe Zeit, die Trennung von Tisch und Bett zu erwirken. Brr, ich fühle einen Heliogabalus in mir! Moritura me salutat! – Mädchen, Mädchen, warum preßt du deine Knie zusammen? – warum auch jetzt noch? – – angesichts der unerforschlichen Ewigkeit?? – Eine Zuckung, und ich gebe dich frei; – Eine weibliche Regung, ein Zeichen von Lüsternheit, von Sympathie, Mädchen! – ich will dich in Gold rahmen lassen, dich über meinem Bett aufhängen! – Ahnst du denn nicht, daß nur deine Keuschheit meine Ausschweifungen gebiert? – Wehe, wehe über die Unmenschlichen! ... Man merkt eben immer, daß sie eine musterhafte Erziehung genossen hat. – Mir geht es ja ebenso. Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona? Das Herz krampft sich mir zusammen – – Unsinn! – Auch die heilige Agnes starb um ihrer Zurückhaltung willen und war nicht halb so nackt wie du! – Einen Kuß noch auf deinen blühenden Leib, deine kindlich schwellende Brust – deine süßgerundeten – deine grausamen Knie... Die Sache will's, die Sache will's, mein Herz! Laßt sie mich euch nicht nennen, keusche Sterne! Die Sache will's! –


     


    Bewertung: 5 / 5

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Ilse 
    Stück: Frühlings Erwachen
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1891 
    Originalsprache: Deutsch


    2. Akt, 7. Szene

    Ilse und Moritz. 

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    21918283 21918283 XlILSE: Man braucht dich nur anzusehn, Moritz! – Ich kenne keinen Katzenjammer. Vergangenen Karneval kam ich drei Tage und drei Nächte in kein Bett und nicht aus den Kleidern. Von der Redoute ins Café, mittags in Bellavista, abends Tingl-Tangl, nachts zur Redoute. Lena war dabei und die dicke Viola. – In der dritten Nacht fand mich Heinrich. [...] Er war über meinen Arm gestolpert. Ich lag bewußtlos im Straßenschnee. – Darauf kam ich zu ihm hin. Vierzehn Tage verließ ich seine Behausung nicht – eine greuliche Zeit! – Morgens mußte ich seinen persischen Schlafrock überwerfen und abends in schwarzem Pagenkostüm durchs Zimmer gehn; an Hals, an Knien und Ärmeln weiße Spitzenaufschläge. Täglich photographierte er mich in anderem Arrangement – einmal auf der Sofalehne als Ariadne, einmal als Leda, einmal als Ganymed, einmal auf allen vieren als weiblichen Nebuchod-Nosor. Dabei schwärmte er von Umbringen, von Erschießen, Selbstmord und Kohlendampf. Frühmorgens nahm er eine Pistole ins Bett, lud sie voll Spitzkugeln und setzte sie mir auf die Brust: Ein Zwinkern, so drück ich! – Oh, er hätte gedrückt, Moritz; er hätte gedrückt! – Dann nahm er das Dings in den Mund wie ein Pustrohr. Das wecke den Selbsterhaltungstrieb. Und dann – Brrrr – die Kugel wäre mir durchs Rückgrat gegangen. [...] Über dem Bett war ein Deckenspiegel im Plafond eingelassen. Das Kabinett schien turmhoch und hell wie ein Opernhaus. Man sah sich leibhaftig vom Himmel herunterhängen. Grauenvoll habe ich die Nächte geträumt. – Gott, o Gott, wenn es erst wieder Tag würde! – Gute Nacht, Ilse. Wenn du schläfst, bist du zum Morden schön! [...] Wie er eines Tages Absynth holt, werfe ich den Mantel um und schleiche mich auf die Straße. Der Fasching war aus; die Polizei fängt mich ab; was ich in Mannskleidern wolle? – Sie brachten mich zur Hauptwache. Da kamen Nohl, Fehrendorf, Padinsky, Spühler, Oikonomopulos, die ganze Priapia, und bürgten für mich. Im Fiaker transportierten sie mich auf Adolars Atelier. Seither bin ich der Horde treu. Fehrendorf ist ein Affe, Nohl ist ein Schwein, Bojokewitsch ein Uhu, Loison eine Hyäne, Oikonomopulos ein Kamel – darum lieb ich sie doch, einen wie den andern und möchte mich an sonst niemand hängen, und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär! [...] Komm bis an unser Haus mit! [...] Kuhwarme Ziegenmilch trinken! – Ich will dir Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. – Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du spielen kannst. [...] Schlummre süß! ... Geht ihr wohl noch zum Wigwam hinunter, wo Melchi Gabor meinen Tomahawk begrub? – Brrr! Bis es an euch kommt, lieg ich im Kehricht. (Eilt davon.)


     


    Bewertung: 3 / 5

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Männer / Schauspieler 

    Rolle: Melchior 
    Stück: Frühlings Erwachen
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1891 
    Originalsprache: Deutsch


    3. Akt, 7. Szene

    Melchior allein. 

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    21918283 21918283 XlHelle Novembernacht. An Busch und Bäumen raschelt das dürre Laub. Zerrissene Wolken jagen unter dem Mond hin. — Melchior klettert über die Kirchhofmauer.

    MELCHIOR:
    (auf der Innenseite herabspringend)  
    Hierher folgt mir die Meute nicht. – Derweil sie Bordelle absuchen, kann ich aufatmen und mir sagen, wie weit ich bin ... Der Rock in Fetzen, die Taschen leer – vor dem Harmlosesten bin ich nicht sicher. – Tagsüber muß ich im Walde weiterzukommen suchen ... Ein Kreuz habe ich niedergestampft. – Die Blümchen wären heut noch erfroren! – Ringsum ist die Erde kahl ... Im Totenreich! – Aus der Dachluke zu klettern war so schwer nicht wie dieser Weg! – Darauf nur war ich nicht gefaßt gewesen ... Ich hänge über dem Abgrund – alles versunken, verschwunden – o wär ich dort geblieben! Warum sie um meinetwillen! – Warum nicht der Verschuldete! – Unfaßbare Vorsicht! – Ich hätte Steine geklopft und gehungert ...! Was hält mich noch aufrecht? – Verbrechen folgt auf Verbrechen. Ich bin dem Morast überantwortet. Nicht soviel Kraft mehr, um abzuschließen ... Ich war nicht schlecht! – Ich war nicht schlecht! – Ich war nicht schlecht ... – So neiderfüllt ist noch kein Sterblicher über Gräber gewandelt. – Pah – ich brächte ja den Mut nicht auf! – Oh, wenn mich Wahnsinn umfinge – in dieser Nacht noch! Ich muß drüben unter den letzten suchen! – Der Wind pfeift auf jedem Stein aus einer anderen Tonart – eine beklemmende Symphonie! – Die morschen Kränze reißen entzwei und baumeln an ihren langen Fäden stückweise um die Marmorkreuze – ein Wald von Vogelscheuchen! – Vogelscheuchen auf allen Gräbern, eine greulicher als die andere – haushohe, vor denen die[158] Teufel Reißaus nehmen. – Die goldenen Lettern blinken so kalt ... Die Trauerweide ächzt auf und fährt mit Riesenfingern über die Inschrift ... Ein betendes Engelskind – Eine Tafel – Eine Wolke wirft ihren Schatten herab. – Wie das hastet und heult! – Wie ein Heereszug jagt es im Osten empor. – Kein Stern am Himmel – Immergrün um das Gärtlein? – Immergrün? – – Mädchen ...

    Hier ruht in Gott
    Wendla Bergmann,
    geboren am 5. Mai 1878,
    gestorben an der Bleichsucht den
    27. Oktober 1892.
    Selig sind, die reinen Herzens sind ..

    Und ich bin ihr Mörder. – Ich bin ihr Mörder! – Mir bleibt die Verzweiflung. – Ich darf hier nicht weinen. – Fort von hier! – Fort –



     


    Bewertung: 5 / 5

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Männer / Schauspieler 

    Rolle: Moritz Stiefel 
    Stück: Frühlings Erwachen
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1891 
    Originalsprache: Deutsch


    2. Akt, 7. Szene

    Moritz allein 

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    21918283 21918283 XlAbenddämmerung. Der Himmel ist leicht bewölkt, der Weg schlängelt sich durch niedres Gebüsch und Riedgras. In einiger Entfernung hört man den Fluß rauschen.

    MORITZ: 
     Besser ist besser. – Ich passe nicht hinein. Mögen sie einander auf die Köpfe steigen. – Ich ziehe die Tür hinter mir zu und trete ins Freie. – Ich gebe nicht so viel darum, mich herumdrücken zu lassen.

    Ich habe mich nicht aufgedrängt. Was soll ich mich jetzt aufdrängen! – Ich habe keinen Vertrag mit dem lieben Gott. Mag man die Sache drehen, wie man sie drehen will. Man hat mich gepreßt. – Meine Eltern mache ich nicht verantwortlich. Immerhin mußten sie auf das Schlimmste gefaßt sein. Sie waren alt genug, um zu wissen, was sie taten. Ich war ein Säugling, als ich zur Welt kam – sonst wäre ich wohl auch noch so schlau gewesen, ein anderer zu werden. – Was soll ich dafür büßen, daß alle andern schon da waren!

    Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein... macht mir jemand einen tollen Hund zum Geschenk, dann gebe ich ihm seinen tollen Hund zurück. Und will er seinen tollen Hund nicht zurücknehmen, dann bin ich menschlich und... Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein!

    Man wird ganz per Zufall geboren und sollte nicht nach reiflichster Überlegung – – – es ist zum Totschießen! – Das Wetter zeigte sich wenigstens rücksichtsvoll. Den ganzen Tag sah es nach Regen aus, und nun hat es sich doch gehalten. – Es herrscht eine seltene Ruhe in der Natur. Nirgends etwas Grelles, Aufreizendes. Himmel und Erde sind wie durchsichtiges Spinnewebe. Und dabei scheint sich alles so wohl zu fühlen. Die Landschaft ist lieblich wie eine Schlummermelodie – »schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein«, wie Fräulein Snandulia sang. Schade, daß sie die Ellbogen ungraziös hält! – Am Cäcilienfest habe ich zum letzten Male getanzt. Snandulia tanzt nur mit Partien. Ihre Seidenrobe war hinten und vorn ausgeschnitten. Hinten bis auf den Taillengürtel und vorne bis zur Bewußtlosigkeit. – Ein Hemd kann sie nicht angehabt haben... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Das wäre etwas, was mich noch fesseln könnte. – Mehr der Kuriosität halber. – Es muß ein sonderbares Empfinden sein – – ein Gefühl, als würde man über Stromschnellen gerissen – – – Ich werde es niemandem sagen, daß ich unverrichteter Sache wiederkehre. Ich werde so tun, als hätte ich alles das mitgemacht... Es hat etwas Beschämendes, Mensch gewesen zu sein, ohne das Menschlichste kennengelernt zu haben. – Sie kommen aus Ägypten, verehrter Herr, und haben die Pyramiden nicht gesehen?!

    Ich will heute nicht wieder weinen. Ich will nicht wieder an mein Begräbnis denken – – Melchior wird mir einen Kranz auf den Sarg legen. Pastor Kahlbauch wird meine Eltern trösten. Rektor Sonnenstich wird Beispiele aus der Geschichte zitieren. – Einen Grabstein werd' ich wahrscheinlich nicht bekommen. Ich hätte mir eine schneeweiße Marmorurne auf schwarzem Syenitsockel gewünscht – ich werde sie ja gottlob nicht vermissen. Die Denkmäler sind für die Lebenden, nicht für die Toten.

    Ich brauchte wohl ein Jahr, um in Gedanken von allen Abschied zu nehmen. Ich will nicht wieder weinen. Ich bin froh, ohne Bitterkeit zurückblicken zu dürfen. Wie manchen schönen Abend ich mit Melchior verlebt habe! – unter den Uferweiden; beim Forsthaus; am Heerweg draußen, wo die fünf Linden stehen; auf dem Schloßberg, zwischen den lauschigen Trümmern der Runenburg. – – – Wenn die Stunde gekommen, will ich aus Leibeskräften an Schlagsahne denken. Schlagsahne hält nicht auf. Sie stopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen Nachgeschmack... Auch die Menschen hatte ich mir unendlich schlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht sein Bestes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinetwillen.

    Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien, dessen letztes Röcheln der Brüder Wohlergehen für das kommende Jahr erkauft. – Ich durchkoste Zug für Zug die geheimnisvollen Schauer der Loslösung. Ich schluchze vor Wehmut über mein Los. – Das Leben hat mir die kalte Schulter gezeigt. Von drüben her sehe ich ernste freundliche Blicke winken: die kopflose Königin, die kopflose Königin – Mitgefühl, mich mit weichen Armen erwartend... Eure Gebote gelten für Unmündige; ich trage mein Freibillett in mir. Sinkt die Schale, dann flattert der Falter davon; das Trugbild geniert nicht mehr. – Ihr solltet kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel zerrinnt; das Leben ist Geschmackssache.


     


    Bewertung: 4 / 5

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Wendla 
    Stück: Frühlings Erwachen
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1891 
    Originalsprache: Deutsch


    2. Akt, 6. Szene

    Wendla allein. 

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    21918283 21918283 XlBergmanns Garten im Morgensonnenglanz.

    WENDLA:
    Warum hast du dich aus der Stube geschlichen? — Veilchen suchen! — Weil mich Mutter lächeln sieht. — Warum bringst du auch die Lippen nicht mehr zusammen? — Ich weiß nicht. — Ich weiß es ja nicht, ich finde nicht Worte ...

    Der Weg ist wie ein Pelücheteppich — kein Steinchen, kein Dorn. — Meine Füße berühren den Boden nicht ... O, wie ich die Nacht geschlummert habe!

    Hier standen sie. — Mir wird ernsthaft wie einer Nonne beim Abendmahl. — Süße Veilchen! — Ruhig, Mütterchen. Ich will mein Bußgewand anziehn. — Ach Gott, wenn jemand käme, dem ich um den Hals fallen und erzählen könnte!



     


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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Klara Hühnerwadel, Musikschülerin  
    Stück: Musik
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1908 
    Originalsprache: Deutsch


    1. Bild: Bei Nacht und Nebel, 1. Szene

    Klara und der Gesangspädagoge Josef Reißner. 

    Möbliertes Zimmer mit Klavier; im Hintergrund ein Alkoven. Auf dem Tisch brennt eine Lampe. Daneben liegt eine gepackte Reisetasche.

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    26193737 9789925007790 XlKLARA: Es läßt sich mit Worten nicht schildern, Else, was ich, während wir, Josef und du und ich, Abend für Abend beieinander saßen – was ich während dieser Abende an Folterqualen ausgestanden habe! Josef und ich, wir hatten einander kaum einmal die Hand gedrückt – es war ein Augenblick, in dem ich das Bewußtsein, einen eigenen Willen zu haben, vollständig verloren hatte –, da offenbarten sich mir auch schon die Folgen meiner Bewußtlosigkeit. Und nun saß ich mit euch beiden zusammen, saß dir, Else, Auge in Auge gegenüber, fühlte bei jedem Schluck, den du trankst, den Argwohn, mit dem du mich ins Auge faßtest, und mußte mir dabei gestehen, daß ich, deine Freundin, schlecht genug war, um dich durch mein Benehmen immer und immer wieder über den wirklichen Sachverhalt hinwegzutäuschen! Aus dieser grauenhaften Weinstube, in der wir so oft beieinander saßen, ist mir jedes Bild und jedes Licht und jedes Gesicht wie ein unaufhörlich bohrendes Messer in Erinnerung! Und dann kam das Fürchterlichste! Mir krampfen sich heute noch die Finger zusammen, wenn ich an die Stunden zurückdenke! Meine Mutter schrieb mir, der schweizerische Bundesrat habe einstimmig beschlossen, ich solle am Schützenfest in Glarus die Partie der Eva in der »Schöpfung« von Haydn singen. Ich erschien mir aus den Himmeln meiner glühenden begeisterten Liebe für meine Kunst wie durch einen unerschütterlichen Blitzstrahl auf die Erde genagelt! Die erste große Aufgabe, die sich mir bietet, mußte mich in dieser Lage finden! Meine Mutter telegraphierte mir. Wann kommst du? Wann darf ich dich erwarten? – Und ich . . . und ich . . . aber meine künstlerische Zukunft durfte und konnte an diesem unseligen Zusammentreffen nicht scheitern! Drei Tage und drei Nächte habe ich eingeschlossen in meinem Zimmer vor Verzweiflung in mich hineingeschrien und mir die Finger blutig gebissen, um durch den körperlichen Schmerz meine Seelenqualen zu betäuben. Da fiel mein Blick zufällig auf eine Zeitungsannonce, deren Abfassung gar keinen Zweifel darüber ließ, worauf sie sich bezog. Und diese Annonce stand so gebieterisch vor meiner gemarterten Seele, als wäre mein dreitägiges Jammern um Gnade und Erbarmen endlich, endlich von einem höheren Wesen erhört worden! Ich hätte es für die himmelschreiendste Ruchlosigkeit gehalten, dem Wink nicht blindlings zu folgen. Am gleichen Abend ging ich zum erstenmal zu dieser Frau Fischer. Nachdem sich ihre Giftmischerei dann glücklich bei mir bewährt hatte, da war das Eidgenössische Schützenfest in Glarus längst vorbei und ich, ich war so zerrüttet, so elend, daß ich ein Vierteljahr lang überhaupt an kein Singen mehr denken konnte! – – Else! Hast du angesichts meines fürchterlichen Jammers denn gar kein Wort der Vergebung, des Erbarmens für mich?!

     


    Bewertung: 3 / 5

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Klara Hühnerwadel 
    Stück: Musik
    Autor: Frank Wedekind 

    Erscheinungsjahr: 1908 
    Originalsprache: Deutsch


    1. Bild: Bei Nacht und Nebel, 3. Szene

    Klara und der Gesangspädagoge Josef Reißner. 

    Möbliertes Zimmer mit Klavier; im Hintergrund ein Alkoven. Auf dem Tisch brennt eine Lampe. Daneben liegt eine gepackte Reisetasche.

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    26193737 9789925007790 XlKLARA: (auffahrend) Wenn ich daran zurückdenke, mit welchen Hoffnungen ich vor einem Jahr auf das hiesige Konservatorium kam! Allmächtiger Gott! Zu Hause der Abschied von meiner in Tränen aufgelösten Mutter! Aber keine Macht der Welt hätte mich von meinen künstlerischen Zielen abgelenkt! Die Liebe zu meiner Kunst war mir meine Religion! Ein höheres Gebot gab es in dieser Welt nicht für mich, als die seltenen Gaben, die mir unter Tausenden durch die Gnade des Himmels zuteil geworden, zur allerhöchsten Vervollkommnung auszubilden! Und mich brachte ich meiner Kunst so frei, so rein, so unangetastet als Einsatz dar. Ich brachte ihr alles, was sich in der kindlichen Knechtschaft an Seelenstärke, an innerlichen Erlebnissen in mir aufgespeichert hatte! Und dann die ersten Wochen am Konservatorium! Welch ein herrliches, feuriges Ringen! Wie wuchs da mit jedem Tage die Zuversicht! Je unüberwindlicher sich die Arbeit vor einem auftürmte, um so mächtiger wurde der Stolz, um so fröhlicher, um so freudiger war das rastlose Streben! Wenn ich daran zurückdenke! Allmächtiger Gott! Allmächtiger Gott! Wenn ich an diese Zeiten zurückdenke! [...] Da kamst du! Kamst mit deinem unwiderstehlich schönen Fliegendenholländerbart! Spottetest über das Konservatorium, an dem du Lehrer bist! Sagtest, ich käme, wenn ich bei dir Privatunterricht nähme, in einem Vierteljahr weiter, als wenn ich mein ganzes Leben lang auf der Musikschule studiere! Benutztest jede Stunde, die ich mit meinen Mitschülerinnen bei dir war nur dazu um mir den Unterricht am Konservatorium als den sicheren Tod meiner Stimme hinzustellen! – Und wie sollte ich dir das alles nicht glauben, wo es sich doch um ein Institut handelte, das dich selber als Lehrer bezahlte! So kam ich denn schließlich um meine Entlassung ein und wurde deine – Privatschülerin! – Gelernt habe ich vieles bei dir, das weiß Gott im Himmel! Dein Privatunterricht hat Abgründe vor mir aufgetan, von deren Vorhandensein ich mir vorher nichts hatte träumen lassen! Ob ich im Lauf dieses Jahres am Konservatorium in meinen Musikstudien nicht vielleicht doch weitergekommen wäre? Ich will das nicht entscheiden. Ich weiß nur eines, was in diesem Augenblick unumstößlich feststeht: Weit ist es mit mir gekommen! [...] (beginnt irre zu reden) Ja, Geliebter! Gehen wir doch zu meiner Mutter! Es ist ja so selbstverständlich, daß wir zu ihr gehen! Du bist ja doch mein Mann, Josef! Wird die eine Freude haben, meinen Mann kennen zu lernen. (Ihn stürmisch umarmend) Josef, Josef! Du bist mein Mann! Ich bin dein Weib, mein Geliebter! Bin ich es vielleicht nicht?! – (schmeichelnd) Komm, gehen wir zu meiner Mutter. Meine Mutter gibt uns ihren mütterlichen Segen, und dann fahren wir mit einem Schnelldampfer nach Amerika hinüber! Durch unserer Hände Arbeit, Josef, können wir in Amerika reich werden. Wir können uns das herrlichste Leben schaffen! [...] (sinkt weinend in einen Sessel) In Tränen aufgelöst beschwor sie mich, mein Lebensglück nicht auf meinen unüberwindlichen Größenwahn zu setzen. Du, mein Kind, willst eine berühmte Sängerin werden. Du. Mit deinem Gesicht. Um eine berühmte Sängerin zu werden, rief sie, muß man andere Nerven haben, als du von deinen Eltern geerbt hast. Dazu gehört eine Pferdemagen, von dem wir uns in der Schweiz keine Vorstellung machen! Dazu muß man über Leichen gehen können! – Sie hatte recht! Sie hatte recht! Und ich in meinem hirnwütigen Größenwahn glaubte ihr nicht! Ich habe sie ausgelacht! Meiner lieben braven Mutter schenkte ich in meiner wahnwitzigen Selbstüberhebung keinen Glauben! (Verzweifelt aufspringend) Könnte ich Dirne jetzt wenigstens vor sie hintreten und sagen: Ja. Ich habe mich überschätzt! Du hattest recht, Mutter. Ich bin keine Sängerin! Ich bin zu spießbürgerlich, ich habe zuviel Ehrgefühl, um eine wirkliche Sängerin zu werden! Aber nicht einmal das kann ich! Fort in Nacht und Nebel! Fliehen muß ich! Über die Grenze muß ich! Meine Kunst, meine Mitschülerinnen, meine Freunde, alles muß ich fliehen! Und dich muß ich fliehen! Dich, Josef! Das ist das Entsetzlichste! Dich, dem ich mein ganzes Elend verdanke! Dich, den ich liebe, wie ich mir irgend etwas auf Erden lieben zu können niemals träumen ließ! (Ihn umarmend) Wie soll ich denn ohne dich, Josef, leben! Sage es mir, Josef, wie ich mir ohne dich helfe! [...] (von ihm ablassend). Sie sagte: »Du kannst dich auf einen Wettkampf mit den abgefeimtesten internationalen Abenteuerinnen nicht einlassen, ohne dabei deine Ehre aufs Spiel zu setzen . . .« [...] (ihm folgend). Wenn die eine Ahnung hätte, worauf ich mich habe einlassen müssen. (Beide ab)

     


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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Andromache 
    Stück: Die Troerinnen (nach der Tragödie des Euripides)
    Autor: Franz Werfel 

    Erscheinungsjahr: 1914 
    Originalsprache: Deutsch


    5. Auftritt

    Andromache, Hekuba und Chöre.

    Großer Aufzug. – Andromache auf einem Wagen, hochaufgetürmt mit Beutestücken. Sie hält an der Hand ihr Söhnlein. Griechische Söldner flankieren.

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    37818546 9783743731479 XlANDROMACHE:
    O Mutter, von so vielen Kindern Mutter!
    Ich schaudre in der tiefen Seele, – Mutter –
    Nenn ich dies wunderbare Wort der Erde.
    Sieh, nie geboren sein, ist es nicht tot sein,
    Und tot sein besser als in Schmerzen leben?!?
    Das Grab, die sanfte Stube, tut nicht weh.
    Doch wer einst stand im Schwall der Glücksgestirne
    Und Brot vom Tisch der Freude brach, und jetzt
    Verpestet muß im Tal des Jammers wandeln,
    Den hetzt die bittere Peitsche des Gedenkens.
    Polyxene ist hin und weiß von nichts,
    Ihr süßes Antlitz schwand wie unberührt
    Von des Würgengels ehernem Flügelschlag.
    Mir aber war beschieden großes Leben,
    Und allen Daseins hatt ich volles Maß,
    Den Scheitel meines Reichtums tauchte ich
    Ins Meer des Himmels, und das war mein Unglück.
    Wie schmückte ich mich doch in großem Hochmut
    Mit jeder Tugend, kränzte mich mit Sitte!
    Wo andre Frauen Lustbarkeit begingen,
    Wie häuslich blieb ich da und kühlen Stolzes!
    Müht ich mich einmal nur um Weiberrede
    Und wußte nicht den eignen Rat zu brauchen?
    Mein Gatte fand drum abends heitre Augen
    Und einen Mund voll Schweigens und voll Rede,
    Wo Rede nottat, Schweigen sich geziemte.
    Doch alle Tugend nenn ich nun Verderben,
    Und meine Reinheit rafft mich ins Verhaßte,
    Denn mich zum Weib nimmt des Peliden Sohn,
    Dem solcher Züchtigkeit die Kunde ward.
    In Angeln jauchzt das Tor des Mörderhauses,
    Wenn Hektors Weib die Schwelle überschreitet.
    Und ich? – Was soll ich tun? – Soll ich vergessen?
    Uneingedenk des teuern Heldenhauptes
    Zu Bette gehn und mich dem Andern öffnen?
    Treulosigkeit, weh mir, ich Ungetreue!
    Doch tu ich's nicht, so wartet mein die Peitsche,
    Und mit dem Fuß zertritt mein Herr den Trotz.
    Zwar sagen sie, daß eine Nacht genüge,
    In einer Frau aus Ekel Lust zu machen ...
    Doch ohne Maßen, Haß und Fluch dem Weibe,
    Das sich verwandelt und vergessen kann!
    Das dumpfe Tier, das niedre untertane,
    Ein junges Roß selbst, ans Gespann gewohnt,
    Nimmt man den Bruder ihm von seiner Seite,
    Wie bäumt sich's unterm Joch und wiehert schmerzlich!
    O Hektor, Hektor, Hektor, mein Gemahl,
    An Adel, Mut und Weisheit königlichster!
    Dein Angedenken – Sonne meines Elends!
    Wie könnte ich vergessen! Ja, du nahmst
    Mich rein aus Vaters Händen, reine Süße
    Der ersten Liebe gab ich dir und alles!
    Und nun ist's aus. – Das Schiff ist schon gerüstet,
    Die Segel sind vom raschen Wind beseelt,
    Der lustig unser Schicksal vor sich treibt,
    Und Sklaverei ist noch das Mildeste!
    Nun Mutter sprich, wer ist unseliger,
    Polyxene, die zart mit Schatten wallt?
    Ich bin es, Mutter, wie kein Mensch zuvor,
    Denn selbst das letzte, allerärmste Öl,
    Das Sterblichen die müde Flamme speist,
    Die Hoffnung nahmen mir die Götter. So
    Verging dem Herzen Kraft zu jedem Wahn,
    Der in der Blindnis letzten Jammers noch
    Den schmalen Strahl durchs Finstre flattern läßt.


     

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    Moderne Monologe zum Vorsprechen: 
    Monologe für Frauen / Schauspielerinnen 

    Rolle: Andromache 
    Stück: Die Troerinnen (nach der Tragödie des Euripides)
    Autor: Franz Werfel 

    Erscheinungsjahr: 1914 
    Originalsprache: Deutsch


    6. Auftritt

    Andromache, Talthybios, Soldaten, Hekuba und Chöre.

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    37818546 9783743731479 XlANDROMACHE:
    O Astyanax, mein Lieb, mein einzig Leben,
    Nun tragen sie dich fort. – Ich kann nicht mit.
    Wie viele schirmte deines Vaters Kraft einst,
    Und seine Hoheit war ein Hort wie vielen?
    Dir aber, seinem Sohn, ist sie der Tod.
    Verruchtes Fest, unselige Nacht des Glücks,
    Die mich in das Gemach der Liebe führte!
    Nicht trug ich freudigen Schmerzes dich im Schoße,
    Den ich zum Herrn der großen Asia träumte,
    Daß du als armes kleines Opfer stirbst.
     Weinst du, mein Lieb, vergießest kleine Tränen,
    Und weißt doch nicht, was kläglich deiner wartet!
    Hängst dich an Mutters Kleider, streckst die Händchen,
    Schlüpfst unter warme Flügel, süßes Vögelein!?!
    Dein Vater steigt nicht donnernd aus der Erde,
    Und greift nicht nach der hochgerühmten Lanze.
    Kein erzgeschienter Blutsfreund kommt, kein Phryger,
    Du mußt erbärmlich, Kind, dein Leben lassen.
    Zum Todesturm schleppt dich ein grauser Landsknecht.
    O Sohn, in Mutters weichem Arm, Geliebtes,
    O kleiner, süßer Atem mir am Munde!
    So war vergebens all das traute Leben,
    Die traute Freude und die traute Mühe,
    Da ich die Brust dir gab, und dich betreute,
    Und mich mit Leinen plagte, und dich wiegte.
    Kommt her, ihr armen Ärmchen, und umarmt mich,
    Zum letztenmal küßt mich, geliebte Lippen!!
    Hast du mich lieb? (Sie kann nicht weiter.)
    O Griechen, Teufel,
    In allen Martern Meister, ungeheure,
    Was tat dies Kind, daß ihr es müsset morden?
    O Helena, du bist Zeus' Tochter nicht!
    Ich nenne dich die Tochter vieler Väter,
    Doch sie zu zählen reicht mein Mund nicht aus.
    Der böse Geist der Welt, so heißt der eine,
    Die andern Neid und Bosheit, Mord und Tod,
    Und was an schwarzem Fluch die Erd erzeugt.
    Nein, eines Gottes Tochter bist du nicht,
    Die du die Pest aus schönen Händen streust,
    Aus schönen Augen ausgießt das Verderben,
    Und Elends Unmaß duftest durch die Welt.
    Fahr hin!!!! Sie hält den Knaben fest an sich gepreßt.
    Da nehmt ihn, reißt ihn von mir, tragt ihn fort,
    Zum Turm mit ihm, und weidet euch, ihr Tiere,
    An seinem Blut! Vernichtung ist der Ratschluß,
    Vernichtet sind wir, und ich kann Vernichtung
    Abhalten nicht von meines Sohnes Haupt.
    Plötzlich gibt sie das Kind dem Talthybios – maßlos.
    Zu Schiff mit mir! Ich will im Dunkel wohnen!
    Schlagt Finsternis mir um das Haupt als Schleier,
    Die Flut der Nacht ertränke jedes Licht!
    Stolz sei die Hochzeit, die ich heute habe ...
    Des Sohnes Leben ist die Morgengabe.
    (Der Wagen mit Andromache und Gefolge ab.)

     

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