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Hinkemann

Bewertung und Kritik zu

HINKEMANN
von Ernst Toller
Regie: Anne Lenk 
Premiere: 25. April 2025 
Deutsches Theater Berlin

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Zum Inhalt: Der ehemalige Soldat Eugen Hinkemann kehrt versehrt aus dem Krieg zurück: Eine Kriegsverletzung hat ihn sein Genital gekostet, und damit auch sein Selbstwertgefühl und seine Stellung in der Gesellschaft. Er kämpft nicht nur mit der Ablehnung seiner Umwelt, sondern auch mit der Verzweiflung seiner Ehe und der eigenen inneren Leere. Als er sich schließlich als Attraktion auf einem Jahrmarkt verdingen muss, wo er rohes Fleisch mit den Zähnen zerreißt, wird sein persönliches Schicksal zur bitteren Anklage gegen eine Gesellschaft, die ihre Helden verrät und ihre Menschlichkeit verliert. 

Stärke und Tapferkeit, Rationalität und Disziplin, Arbeit und Karriere. Diese klassischen männlichen Attribute galten lange als das Bild eines Mannes. In der Versorgerrolle der Familie und geprägt von Patriotismus und Ehrenhaftigkeit war für den Mann im traditionellen Rollenverständnis wenig Raum für Sensibilität oder Schwäche. Im Nachgang des Ersten Weltkriegs gerieten alte Geschlechterrollen ins Wanken; Frauen hatten in der Kriegszeit verstärkt Erwerbsarbeit übernommen und der Verlust körperlicher Funktionen, wie bei Kriegsverletzungen, bedeuteten häufig auch den Verlust männlicher Identität. Ernst Toller schrieb mit seiner Tragödie über eine Zeit, in der die Kontraste zwischen traditionellem Rollenverständnis und neuen sozialen Herausforderungen zu einem Übergangszeitraum führten, in dem die Definition von Männlichkeit langsam begann, sich zu verändern – ein Prozess, der Jahrzehnte andauern sollte. 

Regie Anne Lenk  
Bühne Judith Oswald  
Kostüm Daniela Selig  
Musik Johannes Hofmann  
Video Jonas Link  
Licht Cornelia Gloth  
Dramaturgie Jasmin Maghames   

3.5 von 5 Sterne
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Ernst Tollers expressionistischer Kriegsheimkehrer Hinkelmann
19 Tage her.
Kritik

''Für Lenks Inszenierung hat Judith Oswald zwei ganz im Stil des Expressionismus perspektivisch schiefwinklige, nach hinten verjüngte Raumhälften geschaffen. Die eine zeigt die schmale Küche der Hinkemanns mit ebenso schiefem Ofenherd. Nach kurzen Blacks wird das Bühnenbild auch mal gewechselt und zeigt auf offener Bühne vor rotem Vorhang das Geschäft des von Jonas Hien gespielten teuflischen Budenbesitzers, der mit einer Phallus-Rakete über die Bühne fährt. Hier wird die Sensationslust des Publikums geschürt („Das Volk will Blut.“) und eine ganze Gruppe von Hinkemännern (Statisterie) zeigt Muskeln und Kaiser-Willhelm-Bart. Der eher sanfte, von Moritz Kienemann gespielte Eugen Hinkemann schwebt da kurz am Trapez vom Bühnenhimmel.

Ansonsten kann dieser Hinkemann keiner Fliege etwas zu Leide tun. Gleich zu Beginn spielt die Szene in der Küche, in der er melancholisch über den von Gretes Mutter geblendeten Singvogel sinniert und sich selbst als zugerichtete Kreatur gleich einem geduldeten Hund empfindet. Eugen durchläuft die drei Akte wie bei einem Stationendrama. Von der Küche, in der auch Freund Großhahn (Jeremy Mockridge) nach Eugens Abgang dessen Frau Grete (Lorena Handschin) Avancen macht, geht es über die Rummelbude bis in die Kneipe, wo das männliche Proletariat (Ensemble) beim Bier über den Stellenwert von Schieferdeckern zu Ziegeldeckern oder über den „revolutionären Willen“ und das richtige Parteibuch schwadroniert. Auch hier bleibt Hinkemann mit seiner fiktiven Erzählung vom kranken Mann ohne Geschlecht unverstanden, bis ihn Großhahn dem Spott Preis gibt.

In schwarz-weißen Großaufnahmen wird immer wieder das sich verzerrende Gesicht von Moritz Kienemann eingeblendet. Seine Suche nach dem Glück ohne Männlichkeit wird auch hier zur großen Enttäuschung. Nur die Liebe zu Grete und ihr Bekenntnis zum Leben mit Hinkemann führt in die Freiheit. Das gesellschaftliche und politische Moment dieser Inszenierung weist zwar ein bisschen schwammig von der Vergangenheit mit einer Gruppe von Pappkopfpfadfindern über alte Zeitungsschlagzeilen, die an die Rückwandprojiziert werden, bis in die Gegenwart mit dem heutigen Rechtsruck. Der Fokus liegt aber klar auf der zwischenmenschlichen Ebene. Dazu gehört der Wandel Gretes. Aus einem „Mein Leben gehörte niemals mir.“ wird ein klares „Mein Leben gehört mir.“ Und auch das von ihr als schmutzig betitelte Leben lohnt sich hier mit den Händen zu greifen.'' schreibt Stefan Bock am 1. Mai 2025 auf KULTURA-EXTRA

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Hauptdarsteller als Kraftzentrum in ironisch überzeichneter Alptraumwelt
20 Tage her.
Kritik

Anne Lenk, ihre Bühnenbildnerin Judith Oswald und die Kostümbildnerin Daniela Selig verlegen die Familientragödie in eine mickrig-schiefe Küche, die in giftiges Grün getaucht wird. Die expressionistisch-comichaft überzeichnete Alptraumwelt wechselt nach Schwarzblenden in blutiges Rot oder wird von fieberartigen Intermezzi durchbrochen: immer wieder taucht ein Ballett junger, muskulöser Männer in Unterwäsche auf, die in ihren Posen überbetonen, was dem verzweifelten Hinkemann fehlt. Auf einem Phallus-Symbol düst auch der Budenbesitzer (Jonas Hien) durch die Gegend, der Hinkemann als Ekel-Attraktion in einer Dschungelcamp-artigen Prüfung auf dem Jahrmarkt ausstellt.

Der knapp zweistündige Abend lebt vor allem von seinem Hauptdarsteller: Moritz Kienemann, seit dieser Spielzeit im Ensemble des DT, ist ein Experte für gebrochene, geschundene, fiebrige Charaktere. In Berlin konnte er diese Stärke bisher nur bei zwei Dresdner Theatertreffen-Gastspielen zeigen: in Ulrich Rasches „Das große Heft“ und Sebastian Hartmanns „Erniedrigte und Beleidigte“, einer Doppeleinladung von 2019. Sein Hinkemann ist das Zentrum des Abends. In der stärksten Szene hat auch Almut Zilcher, die Grande Dame des DT-Ensembles, einen Verzweiflungsauftritt als Mutter von Hinkemann. Der Schmerz dieser beiden trägt den Abend, der über die existentielle Not der Figuren aus Tollers in Festungsheft geschriebener Tragödie sonst oft ironisch hinwegzwinkert, wie Christine Wahl im Tagesspiegel so treffend schrieb.

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