Zum Inhalt: Michael Kohlhaas, ein Pferdehändler, ist auf dem Weg nach Dresden, um seine Pferde auf dem Markt zu verkaufen, als er an der Wegschranke einer Ritterburg nach seinem Passierschein gefragt wird. Da Kohlhaas keinen Pass hat und nichts von der Regelung weiß, willigt er ein, seinen Knecht mit zwei Rappen als Pfand dazulassen. Doch in Dresden erfährt er, dass der Passierschein eine Erfindung des Burgherrn war. Als Kohlhaas zurückkehrt, sind seine Rappen halb verhungert, sein Knecht aus der Burg vertrieben. Kohlhaas weigert sich, die Pferde in diesem Zustand zurückzunehmen und reitet nach Hause, wo er den schwerverletzten Knecht vorfindet, der von den Rittern mit Hunden gejagt wurde. Kohlhaas will Gerechtigkeit, verfasst eine Beschwerde, für die der Dresdner Stadthauptmann ihm Unterstützung verspricht. Doch der Kanzler des Kurfürsten, ein Verwandter des Burgherrn, unterschlägt die Beschwerde. Kohlhaas wird mit fadenscheinigen Ausreden ausgebremst und jeder Versuch, sich rechtmäßig zu wehren, scheitert. Seine Frau, die ein Bittschreiben für Kohlhaas übergeben will, wird von der Lanze einer Wache so unglücklich getroffen, dass sie stirbt. Jetzt hält Kohlhaas nichts mehr: Er wird Anführer eines Mobs, legt Brände, attackiert Städte und mordet. So lange, bis der Staat dazu gezwungen ist, ihm zuzuhören.
Mit: Robert Beyer, Moritz Gottwald, Laurenz Laufenberg, David Ruland, Genija Rykova, Renato Schuch
Regie: Simon McBurney, Annabel Arden Bühne: Magda Willi Kostüme: Moritz Junge Sounddesign: Benjamin Grant Mitarbeit Sounddesign: Joe Dines Video: Luke Halls Mitarbeit Video: Zakk Hein Dramaturgie: Maja Zade Produktionsleitung London/ GB: Judith Dimant /Wayward Productions Licht: Erich Schneider
''Zwei Stunden lang sprechen und spielen Robert Beyer, Moritz Gottwald, Laurenz Laufenberg, David Ruland, Genija Rykova und Renato Schuch (als Titelheld) scheinbar den ganzen Fließtext - scheinbar deshalb, weil es mir beim Zuhören so vorkommt, dass es nie und nimmer endete; natürlich ist es, höchstwahrscheinlich, nur ein Teil des furchtbar anstrengend sich anhörenden Fließtexts, der da durch die Sprechkehlen der einen Frau und der fünf Männer zu mir 'rüber klingt, ja und sie sprechen auch nicht, wie man denken würde, "mit verteilten Rollen", jedenfalls nicht nur, nein, sie zerhacken Kleists umständlich lange Sätze, um sie mir als leichtverdaulicher sich gebendes Sätzeteilfutter hinzubröseln, und das macht es auch nicht kurzweiliger, leider nicht.
O wie ich leide. Immerhin gibt's optisch Grund zur Freude, wenn z.B. die zwei nackten Oberkörper Laurenz Laufenbergs und Moritz Gottwalds hin und wieder der geneigtesten Betrachtung anempfohlen sind.'' schreibt Andre Sokolowski am 2. Juli 2021 auf KULTURA-EXTRA
''Überhaupt ist das Hören hier das sinnlichste Erlebnis. McBurney lässt Flugzeugdröhnen, das Öffnen eines Fensters, vor dem die Massen grölen, religiöse Choräle und Elektrobeats sekundengenau einspielen – als schlage man ein Instrument beim Kammerkonzert an. Auf dem Höhepunkt, wenn Renato Schuchs glühender Kohlhaas zum Brandschätzer und Mörder wird, bläst die Akustik zum Sturmgewitter.
Doch auch beim Spielen ist das Ensemble auf Hochleistung. Im fliegenden Wechsel werden die Kurfürsten-Kostüme übergeworfen und die Handykameras bedient, um Videos der Kollegen auf die Leinwand zu projizieren. Auch hier erzeugen die einfachsten Mittel große Wirkung. Etwa, wenn Gottwald und Laurenz Laufenberg nackt auf allen Vieren, mit Krücken als Verlängerung der Arme, die verhungerten Mähren spielen, die Kohlhaas statt seiner beiden Rappen auf der Tronka-Burg ausgehändigt bekommt – der Beginn allen Übels. Oder wenn, eine der wenigen Dialogszenen, Genija Rykova ihren Mann nicht mehr versteht, der Haus und Hof für seinen Rachefeldzug verkaufen will.'' schreibt Barbara Behrendt auf rbbKultur
Die entscheidende Information von Moritz Gottwalds Intro ist das Wörtchen „lesen“: ja, an diesem Abend wird kaum gespielt, sondern tatsächlich vor allem rezitiert und gelesen. Das Ensemble tritt an Notenpulte an der Rampe, links wird das Reclam-Heftchen per Overhead-Projekor projiziert. Dieses Setting fordert den ätzenden Spott von Peter Laudenbach geradezu heraus und legt ihm den Ball auf den Elfmeterpunkt: als oft unfreiwillig komischen „Schulfunk“ nahm er diese „Kohlhaas“-Unternehmung auseinander.
Doch auch wer diesem Abend wohlgesonnen ist, muss erkennen, dass szenisch sehr wenig geboten ist. Es gibt kleine Momente der Spielfreude, z.B. wenn sich Laurenz Laufenberg und Gottwald in die Pferde verwandeln, deren Misshandlung der Auslöser für den Rachefeldzug des Kohlhaas war. Hin und wieder gibt es auch Video-Einspieler von Luke Halls, Zakk Hein und dem aus vielen Schaubühnen-Inszenierungen bekannten Sébastien Dupouey. Aber vor allem gibt es Text, sehr viel präzise arrangierten Text…
Der „Michael Kohlhaas“ des britischen Complicité-Dups bleibt eine Fingerübung für Kleist- und Hörspiel-Fans, die altbacken wirkt und als Theater-Erlebnis wenig befriedrigend ist.
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