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Die Seherin

Bewertung und Kritik zu

DIE SEHERIN 
inspiriert von Philoktet von Sophokles
Regie: Milo Rau 
Premiere: 5. Juni 2025
Odeon, Wiener Festwochen
Berlin-Premiere:19. September 2025 
Schaubühne am Lehniner Platz

Zum Inhalt: Basierend auf Lebensgeschichten von Kriegsfotograf:innen und eigenen Erlebnissen geht Regisseur Milo Rau in diesem Monolog der Zerbrechlichkeit unserer Gewissheiten auf den Grund. Warum ist Gewalt so verführerisch? Was bleibt, wenn Krieg und Terror die uns bekannte Welt zerstören?

In Die Seherin spielt Ursina Lardi eine Kriegsfotografin: Auf der Suche nach Sujets des Grauens bereist sie die globalen Krisengebiete. Es wirkt, als wäre die Fotografin dem Leid stets einen Schritt voraus und dabei selbst unverwundbar. Doch dann muss sie am eigenen Leib erfahren, was Gewalt bedeutet. Die gefeierte Kriegsfotografin wird zur verbitterten Kassandra, die gegen die Blindheit unserer Zeit ankämpft. Das neue Stück von Milo Rau basiert auf Lebensgeschichten von Kriegsfotograf:innen, irakischen Bürger:innen und eigenen Erlebnissen wie der Begegnung mit dem Lehrer Azad Hassan in Mossul: Während der Besetzung durch den Islamischen Staat wurde ihm als Strafe eine Hand abgetrennt. Inspiriert von Sophokles’ Figur Philoktet, die aufgrund einer Verletzung alles verliert und aus der Gesellschaft verbannt wird, geht Rau der Zerbrechlichkeit unserer Gewissheiten auf den Grund. Warum ist Gewalt so verführerisch? Was bleibt, wenn Krieg und Terror die uns bekannte Welt zerstören? Kann Kunst Leid lindern?

Text, Regie Milo Rau Mit Ursina Lardi, Azad Hassan (Video) Bühne, Kostüm Anton Lukas Sounddesign Elia Rediger Video Moritz von Dungern Licht Stefan Ebelsberger Recherche Ursina Lardi, Milo Rau Dramaturgie Bettina Ehrlich, Carmen Hornbostel Übersetzung Arabisch Susana Abdul Majid Beratung, Koordination (Irak) Sardar Abdullah

2.0 von 5 Sterne
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Doku-Fiktion mit drastischen Schockeffekten und behaupteter Meta-Ebene
12 Tage her.
Kritik

Drastische Schockeffekte sind ein Markenzeichen der Arbeiten von Wiener Festwochen-Intendant Milo Rau. Das Abschlachten von „Medea´s Kinderen“ in Großaufnahme führte vor wenigen Wochen beim Gastspiel zu Ohnmachtsanfällen.

Nichts für schwache Nerven und zarte Gemüter ist auch die neue Koproduktion „Die Seherin“ mit der Berliner Schaubühne: als fiktive Kriegsfotografin schildert Ursina Lardi eine traumatische Vergewaltigung auf dem Kairoer Tahrir-Platz in allen brutalen Details, in Großaufnahme erleben wir auch eine Selbstverletzung an der Wade im Florentina Holzinger-Stil. Die Grausamkeiten der islamistischen Fanatiker von Daesh durchlitt Azad Hassan, ein Lehrer aus Mossul, als diese 2014 in den Wirren des Bürgerkriegs mit der Errichtung eines Kalifats begannen. 

Wie ebenfalls aus früheren Arbeiten bekannt, verschränkt Rau diese Kriegsfotografinnen Doku-Fiktion mit Motiven aus der griechischen Mythologie. Lardis Figur spiegelt sich immer wieder in Kassandra, Anspielungen auf den „Philoktet“ von Sophokles sind eingestreut ebenso wie Erinnerungen des Regisseurs an seine Altgriechisch-Stunden in einem Schweizer Gymnasium. Doch diese Motive sind nicht schlüssig eingebunden, zu viel bleibt an diesem Abend Pose und Behauptung.

Eine weitere Schwäche des Abends ist, dass die Reflexion über die gezeigten Brutalitäten zu kurz kommt. Dies gelang Alex Garland in seinem packenden Drama „Civil War“ im vergangenen Kino-Jahr besser, der zugleich eine sehenswerte Dystopie ist, wohin sich Trumps Amerika entwickeln könnte.

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