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Münchner Kammerspiele
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SPIELPLAN

Die Vaterlosen

Bewertung und Kritik zu

DIE VATERLOSEN 
von Anton Tschechow
Regie: Jette Steckel 
Premiere: 3. Juni 2023 
Münchner Kammerspiele 

Eingeladen zum 61. Berliner Theatertreffen (2024) 

Zum Inhalt: Eine russische Gesellschaft im wirtschaftlichen Niedergang, die die toxischen Geister ihrer übermächtigen Vorväter nicht los wird, durch und durch militaristisch geprägt ist und von verlorener Größe träumt – Anton Tschechow feiert in seinem am Asowschen Meer geschriebenen Frühwerk, das unter dem Titel „Platonow“ bekannt geworden ist, den Abschied von einer untergehenden Welt: Die gesellschaftlich bestens situierte Anna Petrowna steht unerwartet vor dem wirtschaftlichen Ruin, in ihrem Landgut versammeln sich am Abend vor dessen Versteigerung lauter Menschen, die spielen, als gäbe es noch etwas zu gewinnen. Und niemand sieht die Katastrophen kommen.

Anna Petrowna Wojnizewa, junge Generalswitwe: Wiebke Puls
Sergej Pawlowitsch Wojnizew, ihr Stiefsohn: Bernardo Arias Porras
Sofja Jegorowna, seine Frau: Katharina Bach
Porfirij Semjonowitsch Glagoljew, Gutsbesitzer: Edmund Telgenkämper
Kirill Porfirjewitsch Glagoljew, sein Sohn: Abel Haffner
Marja Jefimowna Grekowa: Anna Gesa-Raija Lappe
Iwan Iwanowitsch Trilezkij, Oberst im Ruhestand: Walter Hess
Nikolaj Iwanowitsch Trilezki, sein Sohn, Arzt: Martin Weigel
Michail Wassiljewitsch Platonow, Dorfschullehrer: Joachim Meyerhoff
Alexandra Iwanowna (Sascha), seine Frau: Edith Saldanha
Ossip, Pferdedieb: Thomas Schmauser
Carl: Carl Hegemann

Regie: Jette Steckel
Bühne: Florian Lösche
Kostüm: Pauline Hüners
Live-Musik (Komposition): Matthias Jakisic
Musik (Komposition): Anna Bauer
Video: Jens Baßfeld, Jake Witlen
Dramaturgie: Emilia Heinrich, Tobias Schuster
Lichtdesign: Maximilian Kraußmüller

3.0 von 5 Sterne
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Die Vaterlosen
11 Monate her.
Kritik

''Nach dem Öffnen des Eisernen Vorhangs zeigt sich ein Wald aus biegsamen Glasfiberstangen (Bühne: Florian Lösche), durch den sich die DarstellerInnen immer wieder zur Rampe schlängeln müssen. In einer Nische sitzt der Live-Musiker Matthias Jakisic, der den Abend atmosphärisch sehr schön auf der elektronischen Geige begleitet. Neben ihm dreht die Bühne immer mal wieder Carl Hegemann und seinen Gast, den Ethnologen Prof. Dr. Thomas Hauschild, an die Rampe. Sehr viel haben die beiden alten Herren allerdings nicht zum Geschehen beizutragen. Die paar Satzbrocken über die Fähigkeit des Menschen zur Innen- und Außenwahrnehmung, das Werfen als eine speziell menschliche Eigenschaft oder die Auslagerung der Gewalt ins Spiel, wie etwa hier auf der Bühne, machen schon Lust auf mehr, werden aber immer wieder von den SpielerInnen unterbrochen und besonders von Platonow verlacht. In Gänze kann man das Gespräch später auf der Website der Münchner Kammerspiele nachhören.

Diese philosophischen Einsprengsler hat die Inszenierung aber nicht unbedingt nötig, da sie in ihrer Intensität und Auswahl der Szenen selbst genug Stoff und Lust zum Nach- und Weiterdenken bietet. Vor allem das Spiel im Stangenwald entwickelt sich als recht fiebriger und intensiver Schlagabtausch der Figuren, in deren Mittelpunkt nicht nur der sich körperlich aufreibende Platonow steht. Die Regie bietet mit dem Pferdedieb Ossip einen interessanten Gegenpol zu den um sich selbst kreisenden Figuren des Stücks. Thomas Schmauser spielt diesen außerhalb der Gesellschaft Stehenden als mystischen Kauz, einen Beobachter und Kommentator von außen, der sich den existenziellen Problemen der Figuren konsequent entzieht. Platonow bezeichnet ihn einmal als einzigen Menschen.'' schreibt Stefan Bock am 13. Mai 2024 auf KULTURA-EXTRA

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Stinkstiefel und Muppet-Opas
11 Monate her.
Kritik

Joachim Meyerhoff gibt den Platonow als widerlichen Stinkstiefel, dem dennoch alle Frauen zu Füßen liegen. Der Star unter all den Promis, die dieser Abend auffährt, legt natürlich einen bemerkenswerten Rampensau-Auftritt hin. Er macht alle und jeden um ihn herum zur Schnecke, von der vor der Pleite stehenden Generalswitwe (Wiebke Puls) bis zu den beiden älteren Herren, die über den Krieg plaudern. Volksbühnen-Dramaturgie-Legende Carl Hegemann lädt zu jeder Vorstellung einen anderen Gast, diesmal seinen Kollegen Wolfgang Storch.

Meyerhoff sorgt für viele Lacher und holt das gutsituierte Wilmersdorfer Festspiel-Publikum offenkundig ab. Nach einigen Ausgaben, bei denen sich die Juror*innen in ihre persönlichen Vorlieben eingruben und manche Inszenierungen in die 10er Auswahl zerrten, die die Zuschauer kalt ließen, gibt es diesmal auffallend viele Schauspiel-Feste mit großen Namen, wie sie nur die ganz großen Tanker unter den Staats- und Stadtheatern stemmen können. Morgen folgt auf Meyerhoff gleich schon Lina Beckmann mit ihrem Hamburger „Laios“-Solo.

Der Star legt aber auch den Finger in eine Wunde des Abends. Nach einer Stunde witzelt er zum Publikum, dass ja nun schon viel Zeit vergangen sei, aber hier vorne vor dem Eisernen Vorhang nur Banalitäten ausgetauscht worden seien. Treffer, versenkt. Genau so fühlt sich der Ennui der Tschechow-Figuren an, die Jette Steckel hier auf die Bühne bringt.

Nach diesem kurzen, selbstironischen Einwurf dauert es aber noch anderthalb Stunden, bis das Publikum in der Pause durchatmen kann. Bis dahin bekommen die Figuren von alt (Walter Hess als Oberst im Ruhestand) bis jung (Abel Haffner als Sohn des Gutsbesitzers) ihr Fett weg, am liebsten stänkert Meyerhoff gegen die „Muppet-Opas“, wie er sie abkanzelt, die in unregelmäßigen Abständen zur nächsten „Dad Men Talking“-Runde reingeschoben werden. Auf die Dauer wirken diese virtuosen Rumpelstilzchen-Nummern aber ziemlich redundant. Es fehlt die Fallhöhe. Bei einer der ersten Münchner Vorstellungen war der für sein gewaltiges Selbstbewusstsein bekannte Promi-Anwalt und Mäzen Peter Raue in Hegemanns Sessel zu Gast. Was wäre das für ein Sparringspartner für Meyerhoffs Frotzeleien gewesen! So laufen die knapp vier Stunden aber zu oft leer, werden nur Locken auf der Glatze des Hauptdarstellers gedreht.

Das liegt auch daran, dass die Entwicklung der Frauen-Figuren nicht einleuchtend gezeichnet ist. Was fasziniert die Anna Petrowna Wojnizewa (Wiebke Puls) oder die Sofja Jegorowna (Katharina Bach) so sehr, dass sie sich an den toxischen Dorfschullehrer Platonow (Meyerhoff) ranschmeißen. Bach ist in der Rolle besetzt, die sie an den Münchner Kammerspielen fast immer spielt: die vor Wut ausrastende Frau. Warum merken die beiden erst viel zu spät, mit was für einem seltsamen Typen sie es hier zu tun haben, bis Puls ihn nach dem letzten Wutausbruch endlich abknallt? Dieses Frauenbild aus dem späten 19. Jahrhundert ist deutlich aus der Zeit gefallen, wie "Emma Schwarzer" hier an anderer Stelle schon schrieb. Als Fremdtext-Einschub gibt es nach der Pause deshalb einen plakativen feministischen Monolog der Schweizer Dramatikerin Katja Brunner.

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