Kritik
''Ergänzt wurde der mit dem Vorspiel auf dem Theater gut zweistündige pausenlose Abend – Motto: Something old, something new, something classic, something blue – durch einen gezielten Griff ins Repertoire. Anna Osadcenko tanzte das Solo des klassischen Balletts par excellence, den Sterbenden Schwan [s. Foto u.] von Camille Saint-Saëns, mit dem 1997 uraufgeführten Solo, in dem sich drei Tänzer in Virtuosität und Schnelligkeit überbieten, wurde dem 88jährigen Choreographen Hans von Manen Reverenz erwiesen, und den Abschluss bildete, mit ausgedünntem Ensemble, Béjarts Bolero, der seit 1984 in Stuttgart Jubel garantiert. In den vergangenen Jahren bot er die Paraderolle für Friedemann Vogel [s. Foto o.re.]. Auch diesmal flogen ihm die Herzen und, metaphorisch gesprochen, auch andere Körperteile zu. Vergessen ist bei dieser Version für ein reines Männerensemble die routinemäßige Quotenforderung, dispensiert die Empörung über eine Choreographie, die sich, trotz nicht sehr logischer Ablenkung durch Béjarts Rollenbezeichnungen, kaum anders sehen lässt denn als patriarchaler Balztanz mit priapistischem Potential. Die Macht des Crescendos wischt alle Bedenken bezüglich sexistischer Anmache beiseite. Selbst die besseren Damen und wohl auch einige Herren im Publikum scheinen das auf ganz altmodische Weise „geil“ zu finden. Zwischendurch wurde zu Beethoven unter dem Titel #WeStayHome eine nicht unwitzige Montage von Übungen der vereinzelten Compagnie-Mitglieder in der häuslichen Quarantäne auf eine Leinwand projiziert.
Die Botschaft des Abends war eindeutig: #WeAreBack. Wer wollte da mäkeln? Zumal wenn er zu den privilegierten 249 gehört, die nach der Vorstellung in den von größeren Polizeieinheiten gegen Randale gesicherten warmen Schlossgarten schritten. Der Rest durfte auf dem Neckar-Überschwemmungsgebiet des Cannstatter Wasens eintrittsfrei eine Live-Übertragung genießen. Immerhin.'' schreibt Thomas Rothschild am 26. Juli 2020 auf
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