Bewertung und Kritik zu
JUDITHA TRIUMPHANS
von Antonio Vivaldi
Regie: Silvia Costa
Premiere: 16. Januar 2022
Staatsoper Stuttgart
Zum Inhalt: Die Geschichte der strahlend schönen hebräischen Witwe Judith, die Holofernes, den Würgengel ihres Volkes, verführt und mit seinem eigenen Schwert den Kopf abschlägt, war lange ein populärer europäischer Selbstverteidigungsmythos: Christentum gegen „Barbaren“, vermittelt über den Topos „Frau gegen Mann“. Als Ikone des Widerstands, an Körper und Geist beschädigte Märtyrerin oder skandalverdächtige Proto-Salome sind so über die Jahrhunderte in bildender Kunst wie Dramatik viele Judiths entstanden, die stets von unversöhnlicher Feindschaft erzählen. Auch Antonio Vivaldis „geistlich-militärisches“ lateinisches Oratorium Juditha triumphans devicta Holofernis barbarie wurde 1716 nach Befreiung Korfus von osmanischer Belagerung durch eine katholische Koalition zwischen Habsburgern und der Seerepublik Venedig uraufgeführt. Durch überraschend betörende wie martialische Musik stellte Vivaldi das Selbstbewusstsein Venedigs allegorisch als „weiblich-temperiert“ und nur in der Defensive aggressiv dar.
Bei der Uraufführung am Mädchen-Waisenhaus des Ospedale della Pietà, das für seine musikalische Exzellenz berühmt war, musizierten und sangen ausschließlich junge Frauen hinter Gittern und Gazen verborgen – der erotische Skandal blieb so reine Lyrik. Regisseurin Silvia Costa hat in diesem Sinne Chor und Soli in Juditha triumphans in einer hochpoetischen Choreografie inszeniert, die versucht, Kontinuitäten zwischen Prinzipien freizulegen, die zu feindlichen Polen aufgebaut worden sind. Nach fast zwei Jahren im unfreiwilligen Tiefschlaf erlebt diese Produktion nun endlich ihre Premiere.
Musikalische Leitung: Benjamin Bayl
Regie & Bühne: Silvia Costa
Kostüme: Laura Dondoli
Licht: Bernd Purkrabek
Chor: Bernhard Moncado
Dramaturgie: Franz-Erdmann Meyer-Herder und Antonio Cuenca Ruiz