1911_KDL_HAM_300x250

 


Drei Schwestern

Bewertung und Kritik zu

DREI SCHWESTERN 
von Peter Eötvös
Regie: Evgeny Titov 
Premiere: 8. August 2025 
Salzburger Festspiele

Zum Inhalt: 

Irina erträgt es nicht mehr, es bricht aus ihr hervor: „Mein Gott! Wohin ist alles entschwunden? Ich habe alles vergessen.“ Dann, wie unvermittelt: „Niemals werden wir nach Moskau ziehen.“ Weder die Vergangenheit mit ihren Erinnerungen noch die Zukunft mit ihren Hoffnungen bieten noch Halt. Die Zeit erodiert und schrumpft auf die Gegenwart zusammen — und hier herrschen Leere, Unzufriedenheit, Schmerz, Einsamkeit. Ein Zustand, der fast alle Figuren in Peter Eötvös’ Oper Drei Schwestern (1998) — es sind jene aus Anton Tschechows gleichnamigem Drama — heimsucht. Die Reaktionen sind vielfältig: Verdrängung oder Relativierung, Resignation oder Flucht, und natürlich neue Träume, Hoffnungen oder sogar Pläne. Dennoch bleibt eine scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen dem Heute und dem ersehnten Morgen. Warum gelangen diese Menschen nicht nach Moskau, Symbol für ein anderes, besseres, sinnerfüllteres Leben? Welche Hindernisse — innere, äußere — halten sie ab? Es ist eine Frage, in der wir uns stets aufs Neue wiederfinden und die uns Tschechows und damit auch Eötvös‘ Figuren so nahe sein lässt. Sie stellt sich umso schärfer angesichts eines plötzlich um sich greifenden Feuers — einer Katastrophe, die zu konkretem Tun herausfordert, die mit Zerstörung und Leid, mit Tod und dem Bewusstsein konfrontiert, dass das eigene Leben rascher als gedacht enden könnte.

Mit: Dennis Orellana, Cameron Shahbazi, Aryeh Nussbaum Cohen, Kangmin Justin Kim, Mikołaj Trąbka, Ivan Ludlow, Jacques Imbrailo, Andrey Valentiy, Aleksander Teliga, Anthony Robin Schneider, Jörg Schneider, Seiyoung Kim und Kristofer Lundin

Musikalische Leitung: Maxime Pascal und Alphonse Cemin
Regie: Evgeny Titov
Bühne: Rufus Didwiszus
Kostüme: Emma Ryott
Licht: Urs Schönebaum
Klangregie: Paul Jeukendrup
Dramaturgie: Christian Arseni

1 Kritik

5 von 5 Sterne
  • 5 Stern(e)
    1
  • 4 Stern(e)
    0
  • 3 Stern(e)
    0
  • 2 Stern(e)
    0
  • 1 Stern(e)
    0
Russische Wochen
1 Monat her.
Kritik

''Die Düsternis der Bühne korrespondiert mit der anhaltend melancholischen Stimmung in den drei Sequenzen. Schon im Prolog geben die klagende Musik und das vorweggenommene Ende des Stücks, bei der die Schwestern ihr Unglück beklagen und in die Zukunft verweisen, die Richtung der Opernhandlung vor. Ein abgefallenes Stationsschild mit dem Sehnsuchtsort Moskau wird aus dem Schutt geborgen. Die geschlechtliche Ambivalenz der Besetzung zielt ins Allgemeingültige. Das hier aber eine nicht so starke Betonung auf der Verfremdung liegt, zeugt vom Können der Sänger.

Ansonsten werden Tschechow-affine hier durchaus auf ihre Kosten kommen. Es beginnt mit Irina, die wie auch im Stück ihren Namenstag feiert und zwischen den Kontrahenten Tusenbach (Mikołaj Trąbka) und Soljony (Anthony Robin Schneider) steht. Letzterer marschiert hier im langen Mantel wie ein SS-Mann auf, begleitet von Schlagwerk, während die Schwestern durch Holzblasinstrumente und Viola zarter akzentuiert sind. Viel Blech gibt es für die Offiziere Tusenbach, Werschinin und den dauerbetrunkenen Doktors (Jörg Schneider) der sein ständiges „Tararabumbia“ wie Granatenexplosionen ausstößt. Für etwas Aufheiterung sorgen die kurzen Auftritte von Kangmin Justin Kim als gehässige Schwägerin Natascha, die hell aufkreischend immer wieder über das Gleis zu ihren Ausfahrten mit dem Verwaltungsvorsitzenden Protopopov hüpft.

Auch das recht oft hell aufleuchtende Feuer in der Stadt spielt in den drei Sequenzen eine fast albtraumhafte Rolle. Bruder Andrej (Jacques Imbrailo) ist als zweiter dran, sein langweiliges Leben zu beklagen und versucht sich am Ende aus seinem Fatsuite zu befreien, bis er nackt an der Rampe steht. Maschas heimliche Liebe zum unglücklich verheirateten Batteriekommandanten Werschinin steht im Mittelpunkt der dritten Sequenz. Viel Raum für Bariton Ivan Ludlow. Ein großes Klangerlebnis und Highlight im sommerlichen Opernrepertoire der SALZBURGER FESTSPIELE und mit Sicherheit auch inszenatorisch ein überzeugendes Gesamtkunstwerk, das nur noch zweimal in dieser Festspielsaison auf dem Spielplan steht.'' schreibt Stefan Bock am 15. August 2025 auf KULTURA-EXTRA

Show more
0 von 0 Person(en) gefiel diese Kritik

PDF-Datei: 29,95 € 23,95 €


Weitere Formate auf Amazon & Play:
Taschenbuch / Kindle: 39,95 €
Google eBook: 29,95 €


UNSERE BÜCHER ALS PDF-DATEI


AUSWAHL


WIR EMPFEHLEN

1911_KDL_HAM_300x250


AUF DER BÜHNE © 2025