Zum Inhalt: Warum war ich so glücklich? Und ich wünschte, die Frage würde mich nicht mehr interessieren. Warum war ich so glücklich? Ich hatte so einen banalen und schönen Alltag wie jedermann. Es war endlich mal langweilig, sowas kannte ich gar nicht. Es war einfach normal, und ich war zum ersten Mal glücklich. Natürlich waren wir beide nicht normal, aber zusammen irgendwie schon. Ich war so glücklich, ich kann es überhaupt nicht sagen. Vielleicht weil es mir so vorkam, als hätte das alles nebenan stattgefunden. Mir kam es so vor, als wäre ich in etwas hineingeraten, das nebenan stattfindet. Das war gar nicht meines, und deshalb war ich so glücklich. Das, was nebenan gesprochen wird, das kann man akzeptieren. Das ist wie im Theater. Die Leute gehen deshalb ins Theater, weil sie wissen, es passiert nebenan. Das Wichtigste passiert immer nebenan. Dabei müssen die nicht mal neben einem Theater wohnen. Das, was sie Bock hätten zu sagen, das, was wirklich mit ihnen zu tun hat, passiert mit einem ganz anderen Text, und nicht mit irgendeinem eigenen. Das ist eben nicht auf direktem Weg zu haben, das, was man gerne sagen will. Direkt, was soll das auch sein? Nein, ich will meine eigenen Geschichten nicht hören, ich will sie auch nicht erzählen. Ich weiß ja von Anfang an, ich bin eher der Text, der nichts mit mir zu tun hat.
Mit: Kathrin Angerer, Kinan Hmeidan, Kamel Najma, Benjamin Radjaipour, Damian Rebgetz und Thomas Schmauser
Inszenierung: René Pollesch Künstlerische Mitarbeit: Max Bretschneider Video: Amon Ritz und Ute Schall Bühne und Kostüme: Nina von Mechow Licht: Charlotte Marr Dramaturgie: Tarun Kade
''Die großartige Katrin Angerer, Ex-Star der Berliner Volksbühne, schüttet in Pierrotkostüm und Kleinmädchenton Wortkaskaden aus über Gott und die Welt und mampft dazu Leibniz-Kekse. Sie verheddert sich in Kompliziertheiten: über den Kapitalismus, die Einsamkeit, den Optimismus, B-Movies und Gewerkschaften. Sie plappert vom Kampf der Theorien, der so spannend sei wie der Kampf der Leidenschaften und macht dazu große Augen. So, so. Es sekundieren: der sensible Damian Rebgetz, der so tut, als sei er ein rauhbeiniger Sheriff. Thomas Schmauser, der einen durchgeknallten Regisseur mit Parteiauftrag mimt. Benjamin Radjaipour theoretisiert zu apokalyptischen Steinschlägen elegant über das proletarische Theater der 1920er Jahre und die Schönheit bei Brecht, als sei er ein Kenner, während ein Syrer im Cowboy-Kostüm irgendwas arabisch Klingendes absondert, musikalische Wortwellen, aus denen nur ab und an das Wort „Volksbühne“ auftaucht. Doch Vorsicht! Einer kämpft gegen die Spinne wie Siegfried gegen den Drachen. Dafür wird er zum Liliputaner geschrumpft und muss sich vor dem Fauchen eines Kätzchens sowie dem Stiefel des überlebensgroßen Kollegen fürchten.
Unnötig zu sagen, dass das Leben anderswo stattfindet und der Sinn auch. Vor allem aber der „Tauschhandel von Gefühlen“, den man sonst zu sehen bekommt – auf der Bühne und überall. Wir wollen Emotionen erleben, die Schauspieler sollen liefern. Das ist bei Pollesch out. Thomas Schmauser, der „Regisseur“ erklärt: Außer dass er seinen Lebensunterhalt verdienen muss, hat ein Schauspieler keine persönlichen Gründe, um sich mit den Beziehungen und Konflikten von Figuren abzugeben, die er spielt. Und im Gegensatz zum „normalen“ Menschen, der dauernd auftritt, aber keine Ahnung hat, welche Rolle er spielt, weiß er, dass er nicht „ist“, sondern nur darstellt. Wobei gerade das Glück, ein anderer zu sein, ihn glücklich macht. „Authentizität“ ? Nicht möglich. Was man ehrlich anbieten kann, ist „Präsenz“.'' schreibt Petra Herrmann am 9. März 2020 auf KULTURA-EXTRA