Zum Inhalt: Nadja heißt die Hauptfigur in Georg Friedrich Haas’ Oper Bluthaus. Ihre Geschichte soll erzählt werden. Sie handelt von einer Unentrinnbarkeit, von einem Trauma, aus dem sie sich befreien will. Sie versucht, dem Zugriff ihrer Herkunft, ihrer Familie, ihres Elternhauses zu entkommen. Die Oper portraitiert – wie in einer Nahaufnahme – das Innenleben einer zersplitterten Persönlichkeit.
„Bluthaus“ war die erste Zusammenarbeit zwischen Komponist Georg Friedrich Haas und Dramatiker Händl Klaus, aus der eine ganze Operntrilogie erwuchs. Claus Guth beschäftigt sich in seiner Inszenierung mit dem Weg der Hauptfigur Nadja. Welche Möglichkeiten, Perspektiven, Handlungsspielräume kann jemand haben, der ein traumatisches Erlebnis zu verarbeiten hat? Wie kann sich eine Welt zusammensetzen, die einmal zerstört wurde?
Musikalische Leitung: Titus Engel Inszenierung/Choreographie: Claus Guth Bühne: Etienne Pluss Kostüme: Petra Reinhardt Choreographische Mitarbeit: Ramses Sigl Licht: Michael Bauer Video: rocafilm Dramaturgie: Yvonne Gebauer, Katja Leclerc
''Die erstaunliche Klangsprache von Haas arbeitet vor allem mit Mikrointervallen, Vierteltönen. Von Anfang an liegt der Schrecken in der atonalen, aber melodiösen Luft. Immer, wenn die Erinnerung an die Eltern aufkommt, erklingt ein Oberton-Akkord, wunderbar harmonisch und konsonant, eine Vorstellung von Geborgenheit vermittelnd. Doch gerade weil dieses Elternmotiv so schön klingt, wirkt es im Kontext der Tragödie umso furchtbarer. Schlichtweg genial die Einrahmung des Musik-Geschehens in zwei Monteverdi-Madrigale. Nadja betrauert, dass sich die Liebe für sie immer mit Schmerz mischen wird - so wie die Nymphe in Monteverdis „Lamento della ninfa“.
Vera-Lotte Boecker als missbrauchte Tochter Nadja – eine zierliche, jugendliche Erscheinung – gestaltet ihre Schmerzkantilenen einfach überwältigend, dazu mit großer darstellerischer Kraft. Ein Opfer, dass vergeblich aus dem Kreislauf des Unglücks auszubrechen versucht, symbolisiert auch in der stickigen Luft des Innenraums: „Draußen weht es, da. Der Wind wäscht mir die Hände… An den Bäumen reißt er. Aber er will nicht herein. Es ist zu eng.“ Bo Skovhus als Vater ist ein musikalisch und schauspielerisch ebenbürtiger Partner wie auch Hagen Matzeit, ein Countertenor, der wohl toxischer Männlichkeit entgegenstehen soll. Ein weiterer Höhepunkt: der Auftritt der drei leider namenlosen Solisten des Tölzer Knabenchors als Kinder eines Kaufinteressenten. Großer Beifall für das gesamte Ensemble und das schmal besetzte Bayerische Staatsorchester unter Titus Engel. Ein ergreifender Abend!!!'' schreibt Petra Herrmann am 29. Mai 2022 auf KULTURA-EXTRA