Zum Inhalt: Auf jeden Frieden folgt ein Krieg, hinter jedem Glück wartet die Katastrophe. Diese universelle Einsicht lehrt die Tragödie, und Hector Berlioz gibt ihr in seiner großen Oper Les Troyens das Gesicht zweier Frauen: Cassandre und Didon verlieren ihr persönliches Glück, weil im Wettkampf der Völker und Helden kein Platz dafür ist, und lassen schließlich ihr Leben. Im ersten Teil der Trojaner verkündet die Seherin Cassandre den Untergang Trojas – als einzige Hellsichtige, der niemand glaubt. Sie fällt mit ihrem ganzen Volk der Kriegslist der Griechen zum Opfer. Im zweiten Teil stellt Berlioz Didon, die Königin von Karthago, ins Zentrum. Deren Liebe zum trojanischen Helden Aeneas schlägt in Hass um, als er sie für seine Aufgabe, ein neues Troja zu gründen, verlässt.
Jede:r König:in ist auch ein Mensch. Hat das Glück des Einzelnen angesichts des Schicksals eines ganzen Volkes keinen Wert?
Musikalische Leitung: Daniele Rustioni Inszenierung: Christophe Honoré Bühne: Katrin Lea Tag Kostüme: Olivier Bériot Licht: Dominique Bruguière Film: Comité dans Paris Chor: Stellario Fagone Dramaturgie: Katja Leclerc
Mit Spannung wurde diese erste Opern-Inszenierung des französischen Star-Regisseurs Christophe Honoré in Deutschland erwartet: Dass er aber eigentlich vom Film kommt und dort auch mit der Cannes-Einladung seines HIV-Dramas „Sorry Angel“ seine größten Erfolge feierte, wird an diesem langen Abend deutlich: Honoré fremdelt mit der Gattung Oper und vor allem mit diesem konkreten Werk „Les Troyens“ aus der französischen Romantik des 19. Jahrhunderts. Aus der Zeit gefallen wirkt, dass die beiden zentralen Frauen-Figuren Cassandre/Kassandra (Marie-Nicole Lemieux) und Didon/Dido (Ekaterina Semenchuk) hier tragische Opfer sind, die ihr Schicksal erdulden müssen, während der Held Enée/Aeneas (Gregory Kunde) seinen Ego-Trip unbeirrt fortsetzt. Über seine Irritation darüber sprach der Regisseur auch im umfangreichen, sehr informativen Programmheft der Bayerischen Staatsoper.
Wie wenig Honoré mit der Oper anfangen konnte, die viele Massenszenen, aber kaum dramaturgische Höhepunkte und musikalische Hits aufweist, zeigt sein sehr karger Inszenierungsstil, der schon an Arbeitsverweigerung grenzt, wie die SZ kritisierte: „Die Solisten machen all das, was die Abwesenheit von Personenführung an uninspirierten Gesten und Gängen hergibt.“ Vor allem die ersten beiden Akte sind recht zäh. Viel wohler fühlt sich Honoré auf heimischem Terrain: im 4. Akt werden mehrere Video-Sequenzen eingespielt, die der Filmemacher in seiner Heimat mit französischen Darstellern dreht.
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