Regie: David Pountney Premiere: 23. Oktober 2021 Oper Leipzig
Zum Inhalt: Richard Wagners Oper »Die Meistersinger von Nürnberg« beschäftigt sich wie kein anderes seiner Werke mit der Stellung der Kunst und der Kunstschaffenden in der Gesellschaft. Anders als die Poeterei der Nürnberger Meister mit ihrem überlieferten Regelwerk entfaltet sich Kunst erst durch Wandel und Veränderung, so die These. Oder, wie Wagner selbst es ausdrückte: »Kinder, schafft Neues!«
Um die Dichtkunst neu zu beleben und deren Be-deutung bei den Bürgern Nürnbergs wieder ins Bewusstsein zu rufen, soll am Johannistag ein Wettbewerb stattfinden. Als ersten Preis wirft Goldschmied Veit Pogner seine einzige Tochter Eva in den Ring, was nicht zuletzt die Erzrivalen Hans Sachs und Sixtus Beckmesser gegeneinander aufbringt. Allerdings werden deren Ambitionen schnell unterlaufen, als ein Fremder namens Walther von Stolzing bei den Meistern vorspricht und um Eva wirbt. Was bei den übrigen Meistern auf höchste Ablehnung stößt, lässt den Schusterpoeten Hans Sachs aufhorchen: »Dem Vogel, der heut sang, dem war der Schnabel hold gewachsen.«
Musikalische Leitung: Ulf Schirmer Inszenierung: David Pountney Choreografie: Denni Sayers Bühne: Leslie Travers Kostüme: Marie Jeanne Lecca Licht: Fabrice Kebour Choreinstudierung: Thomas Eitler-de Lint
''Der Brite David Pountney, ein Routinier der alten Schule, hatte inszeniert. Und Leslie Travers (Bühnenbild) kreierte ihm ein Puppenstuben-Nürnberg, das im dritten Akt dann, nach der Prügelfuge am Schluss des zweiten, einer Puppenstuben-Trümmerwüste glich; ein Gänsehautmoment war beim "Wahn! Wahn! Überall Wahn!"-Monolog des Sachs der videofizierte Querverweis zur bombardierten Stadt anno 1945. Kostümbildnerin Marie Jeanne Lecca ließ sowohl moderne Fantasie- als auch traditionelle Meistersinger-Klamotten schneidern; und in der Prügelfuge teilte sie die aufeinander einschlagenden Horden gleich mal in rote Linke und in schwarze Rechte mit ihren jeweiligen Schlägertrupps ein.
Nun konnte man vielleicht nicht unbedingt erwarten, dass das Inszenierungsteam die distanziert-komische und gleichsam überaus schlüssig gemachte Meistersinger-Vorlage von Barrie Kosky (Bayreuth 2017) übertroffen haben wollte - aber ein bisschen mehr als durchgängig gediegen hätte es schon sein können. Wagners unbedingter Aufruf zur Toleranz, um den es in den Meistersingern auch geht, entpuppt sich unverfroren eindeutig als "deutsch" gewolltes und gemeintes Tolerieren, und das scheint der wunde und hochangreifbare Punkt dieser vermaledeiten Nationaloper: Nein, dieses "Heil! Heil! Heil dir..." - - - kann man heute doch nicht mehr so ungebrochen stehen lassen. Oder?'' schreibt Andre Sokolowski am 25. Oktober 2021 auf KULTURA-EXTRA