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Thalia Theater Hamburg
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Ajax und der Schwan der Scham

Bewertung und Kritik zu

AJAX UND DER SCHWAN DER SCHAM 
nach Sophokles
Regie: Christopher Rüping 
Premiere: 15. Januar 2025 
Thalia Theater Hamburg

Berliner Autor:innentheatertage (2025) 
14./15. Juni 2025 (Deutsches Theater Berlin)

Zum Inhalt: Wir haben ihn vergessen. Googelt man seinen Namen, stößt man auf einen Fußballverein, einen Haushaltsreiniger, einen Asteroiden, sogar auf einen Schützenpanzer – Ajax den Großen findet man erst viel später. Unter den griechischen Helden vor Troja ist Ajax nur der Zweitbeste, der Zweitstärkste, immer im Schatten des größten Griechen: Achill. Ajax fügt sich in seine Rolle und stellt seinen austrainierten Körper radikal in den Dienst der Sache. Am Ende ist er es, der Achills Leichnam und dessen mythische Rüstung vom Schlachtfeld birgt. Doch statt ihn für seinen Einsatz zu belohnen, verleihen die Griechen die Rüstung Odysseus, dem Rhetoriker mit dem Gewinnerlächeln in der Visage. Diese Kränkung erträgt Ajax nicht. Er läuft Amok. Ajax wird zum Schützenpanzer, zum Asteroiden, zum Haushaltsreiniger, der die Böden blutig schrubbt.

Doch ist es wirklich Ajax, der da mordet, oder walten hier andere Kräfte? Sind es nicht vielmehr die Götter (die ja nichts anderes sind als die Autoren), die Ajax’ Schwert führen, um uns zu zeigen, wohin Hybris immer führen muss? Denn nach der Raserei wartet die Scham. Eine bodenlose Scham, in die Ajax sich stürzt – und schließlich ins Schwert.

Ehrgeiz, Hybris, Demütigung, Scham. Vielleicht sollten wir Ajax in den Suchergebnissen früher begegnen, er hätte uns wohl einiges zu sagen. Christopher Rüping widmet seine neue Arbeit am Thalia Theater dem stolzen Vergessenen und erforscht gemeinsam mit seinem Ensemble den „Ajaxkomplex“ aus heutiger Perspektive.

2 Bewertungen

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Ajax und der Schwan der Scham von Christopher Rüping und Ensemble
3 Monate her.
Kritik

''Rüping und sein Ensemble machen daraus nun eine etwas zäh beginnende Reflexion über den sogenannten Ewigen Zweiten, oder im künstlerischen Sinne die Zweitbesetzung. Auch Ajax war im Kampf gegen den trojanischen Helden Hektor die Zweitbesetzung für Achill, als sich dieser vom Kampf ausruhen musste. Die Tötung Hektors gelang schließlich Achill. Das allerdings erfährt man bei Rüping nicht. Hier macht sich zunächst Maja Beckmann im Sportdress auf der leeren, nur mit einer Videoleinwand ausgestatteten Bühne (Jonathan Mertz) des Deutschen Theater warm. Sie spielt Ajax und kumpelt sich erstmal ans Publikum ran mit der Frage, wer hier Abitur hat und mehr. Sogar einen Doktor gibt es im Saal. Ob es nun die mangelnde Bildung ist, die sie im Rededuell mit Odysseus, gespielt von Nils Kahnwald im güldenen Netzhemd, unterliegen lässt, ist dann aber eher nebensächlich. Beckmanns Ajax hat keine Lust darüber zu diskutieren. Die Beute steht ihr einfach zu. Dazu wird ein schön bemalter „Lappen“ heruntergelassen, der die mythologischen Szenen darstellt, anhand denen sie die Geschichte erzählt.

Dann gibt es minutenlanges Action-Painting von Maja Beckmann, die auf einem bühnenfüllenden Tuch eimerweise Theaterblut über Nils Kahnwald kippt. Ein schönes Schüttbild aber auch ein Stück Racherausch und Erniedrigung des Gegners. Dann wird geduscht, wobei die Livekamera lange auf Maja Beckmann bleibt. Die Reflexion hin zum Thema Scham bringt dann Hans Löw als Ajax Frau Tekmessa mit ein paar antiken Versen. Er will Ajax vom Selbstmord zurückhalten. Das bleibt wie ein Fremdkörper in dieser lieber rumalbernden, unfertig wirkenden Inszenierung, die schon wieder zu einem weiteren Thema springt, in dem sie nun die Zweitbesetzung zur Zweitbesetzung ins Spiel bringt. Nachdem Maja Beckmann lieber doch nicht vom hereingefahrenen Standgerüst ins Schwert springen will und Nils Kahnwald die Geduld verliert, kommt Pauline Rénevier im gleichen Kostüm und soll den Job übernehmen. Als Sarah Lane, das Körperdouble für die Schauspielerin Natalie Portman in dem 2010 gedrehten Tanzfilm Black Swan von Darren Aronofsky, erzählt sie nun ihre Geschichte als zu kurz gekommene Zweitbesetzung, auf deren Körper man das Gesicht der Hauptdarstellerin projizierte. Eine frühe Form der KI. Dann geht es noch um Deepfake-Videos und die Scham, in einem so erstellten Porno im Internet missbraucht zu werden.

Lauter lose Enden, die sich zwar aus der dünnen Handlung entwickeln, aber auch jeweils für sich stehen bleiben. Die Methode der Rüping-Familie zur Stückentwicklung über Improvisationen auf Proben, zu denen der Regisseur dann passende Texte schreibt, wie Maja Beckmann im Interview für den tip Berlin berichtet, scheint hier aus dem Ruder gelaufen zu sein. Der Abend franst immer mehr aus, verliert sich in technischen Spielereien mit Video und KI und findet eigentlich nicht wieder zusammen. Auch wenn dann irgendwann Maike Knirsch als geflügelte Athene vom Bühnenhimmel schwebt und dem eine Ende machen will. Sie stürzt sich schließlich via Videotrick selbst ins Schwert. Was man so auch für den ganzen Abend konstatieren kann.'' schreibt Stefan Bock am 14. Juni 2025 auf KULTURA-EXTRA

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Professionell zerfasert
5 Monate her.
Kritik

Hier sind echte Profis am Werk. Sicher haben Christopher Rüping und die beiden Schauspieler*innen des Jahres Maja Beckmann und Nils Kahnwald selbst bemerkt, dass ihr Geplänkel rund um Ajax als „ewigem Zweiten“, der stets im Schatten der Helden Achill und Odysseus stand, zu dünn geraten ist. Deshalb nölt Kahnwald an zwei Stellen in der Mitte der Vorstellung, als diese besonders durchhängt, wie zäh das doch alles ist und nimmt der Kritik damit den Wind aus den Segeln.

Bis dahin spielen Beckmann und Kahnwald etwas verbales Ping-Pong. In den letzten Minuten unterhält Christopher Rüpings Theaterabend mit ein paar amüsanten Morphing- und Deepfake-Effekten. Köpfe werden ummontiert, während die Live-Kamera filmt. Doch die Verbindung der beiden Erzählstränge – hier Hollywood, dort Antike – gelingt nicht. Jeder Erzählstrang zerfasert für sich.

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