Zum Inhalt: 1959 erlebte Rolf Liebermanns Opera semiseria ihre letzte Neuproduktion – das Oldenburger Publikum zeigte sich ähnlich uneinverstanden mit dem ‚Fraternisierungsdrama‘ zwischen einem deutschen Wehrmachtssoldaten und einer jungen Französin, wie in vorangegangenen Inszenierungen: Nachkriegsdeutschland war nicht reif für ein derartiges Stück.
An der Musiksprache nämlich – Liebermann bewies, dass Dodekaphonie durchaus keine Garantie für sinnliche Sprödigkeit ist – kann es nicht gelegen haben, dass die Oper auf so weitreichendes Unverständnis stieß. War die Uraufführung im neutralen Basel 1952 noch ein veritabler und von der Presse sehr wohl betonter Publikumserfolg, „führte“, wie Ulrich Schreiber in seinem Opernführer für Fortgeschrittene schreibt, „die Semiseria in Deutschland bei allen (!) Aufführungen zu Publikumsaufständen. Statt einer Versöhnung zwischen den einstigen ,Erbfeinden‘ nahm man nur verachtenswerte Kollaboration wahr“. Erstmals seit dem letzten Skandal stellt die Oper Bonn das Werk – mit großer Zuversicht – auf den Prüfstand.
Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr Inszenierung: Jürgen R. Weber Ausstattung: Hank Irwin Kittel Licht: Friedel Grass Choreinstudierung: Marco Medved
''Die Oper klingt nicht unoft wie Musik für'n Varieté, ihr Klang ist sowieso ein bisschen altmodisch, und dennoch (oder deshalb) gibt es schönste, um nicht gar zu sagen wunderschönste Höreindrücke; an dem großen Rosenkavalier-Terzett, z.B., mag sich Liebermann vielmehr noch als an das Fidelio-Quartett "Mir ist so wunderbar" gelehnt und orientiert haben, als er sein Quatuor zwischen Yvette, der Mutter von Yvette, Albert und Alberts Vater (im Vorspiel) oder sein Terzett zwischen Yvette, der Mutter von Yvette und Albert (im 1. Akt) in Noten setzte. Barbara Senator (als Yvette), Susanne Blattert (als die Mutter von Yvette), Santiago Sánchez (als Albert) und Pavel Kudinov (als Alberts Vater) lauschte man sonach mit Hochgenuss und kriegte Gänsehaut.
Der Regisseur Jürgen R. Weber hat das Werk mit einer leichtverdaulichen Distanz und also der Hinzugabe von vielen Früchtewürfeln inszeniert. Die großzügige Ausstattung Hans Irwin Kittels und das Videobeiwerk von Gretchen fan Weber korrespondierten idealisch mit dem größtmöglichst auf Kurzweil ausgerichteten Regiekonzept. Daniel Johannes Mayr dirigierte das Beethoven Orchester Bonn, das [wegen der noch immer anhaltenden Pandemiebestimmungen?] hinter dem Bühnenbild positioniert gewesen war und über Lautsprecheranlagen in den Saal verstärkt wurde. Joachim Goltz beeindruckte als wie ein Conférencier durch die bemühte Handlung Heinrich Strobels (= Librettist) geleitender "rettender Engel". Prima, dass wir mit dabei sein durften.'' schreibt Andre Sokolowski am 12. Oktober 2021 auf KULTURA-EXTRA