Kritik
Das kleine, seit 1949 bestehende Theaterchen neben dem (neuerdings) Musical-Tempel "Theater des Westens" hat jetzt mit der Premiere von"Tour de Farce" einen Pfeil aus dem Köcher geholt, der im Publikum als Volltreffer eine durchschlagende Wirkung erzielt. Die Komödie der absurden Knalleffekte und ständig klappenden Türen aus der Feder der Broadway-Autoren Philip LaZebnik und Kingsley Day steht und fällt mit dem perfekten Timing und Kostümwechsel von lediglich zwei Schauspielern, die mit hinreissendem Tempo und atemberaubendem Verwandlungsgeschick in nicht weniger als zehn Rollen schlüpfen, ohne dafür mehr als Sekunden zu benötigen oder auch nur ein einziges Mal aus einer dieser Rollen zu fallen. Die Logik der Handlung wird mit flexibler Regie (Andreas Schmidt und Andrea Katzenberger) jeweils so konsequent aneinander gefügt, dass auch der nüchterne, kritische Verstand daran nichts zu bemängeln hat.
Das eher karge Bühnenbild läßt zu Beginn kaum ahnen, welcher Ereigniswirbel sich dort binnen kurzem entfalten wird. Das Entrée übernehmen Rebecca Gladney (Cornelia Schönwald) und ihr Mann Herb Gladney (Jörg Zuch), der Autor des Ratgebers „Ehe währt für immer“, der sein tiefschürfendes Werk gerade der Presse vorstellt. Beide steigen in einem eher schäbigen Hotelzimmer ab, und die prächtig überdrehte Gattin bekrittelt zunächst alle Mängel dieser Unterkunft. Beide sind dazu verdammt, im Sinne des Ratgebers ein unverbrüchliches Ehepaar zu simulieren, obwohl es in diesem Bündnis längst kriselt, weil Rebecca ihrer Jugendliebe nachtrauert. Die taucht kurz drauf in Gestalt eines alkoholisierten Senators auf, der seinerseits nach einem erotischen Abenteuer giert. Damit beginnt eine turbulente Folge hanebüchener Verwicklungen, in deren Verlauf die beiden Schauspieler in jeweils fünf verschiedene Rollen schlüpfen. Meist genügt ein schneller Tausch von Perücke und Montur, um die glänzend gegeneinander abgesetzten Charaktere auf die Bühne zu stellen. Natürlich gehören auch akribisch einstudierte Details und Nuancen in Gestik und Mimik bis zu Anflügen von Dialektsprech dazu, die verschiedenen Figuren glaubwürdig auftreten zu lassen.
Das gelingt durchgehend absolut perfekt und schafft zum ungetrübten Vergnügen des Publikums eine animierte Atmosphäre pausenloser Überraschungen, bei denen es sogar Szenenbeifall für ein paar besonders gelungene Rollenwechsel gibt. Jörg Zuch erzielt knallige Wirkung als zunehmend besoffener Senator, der sexuelle Erregung nur dann spürt, wenn sein blondes Flittchen ihn mit „Mister President“ anredet. Oder als aus dem Schrank steigender Kameramann Gunnar Gustafson, der seine ersten Sporen einst in Schweden bei Ingmar Bergman verdient hatte. Cornelia Schönwald gewinnt den Oscar des Abends mit ihren hinreissenden Auftritten als Pam Blair und Gwenda Hill oder als kleptomanisches Zimmermädchen Nina. Dem allen setzt sie die Krone auf mit dem blitzschnellen Kostümwechsel zu Schwester Barbara, deren naiv-komische Liedtexte sie mit angenehmer Singstimme und herrlich alberner Triangelbegleitung präsentiert. Wie das ganze Verwirrspiel schliesslich endet, soll hier nicht verraten werden. Das Premierenpublikum war jedenfalls in höchstem Maße angetan und glänzend unterhalten.
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