Zum Inhalt: Anne Beaumanoir, genannt Annette, war vieles in ihrem Leben – Neurologin, antifaschistische Résistance-Kämpferin, Unterstützerin der Nationalen Befreiungsfront im algerischen Unabhängigkeitskrieg. Für das eine singt der Staat, in dem sie lebt, ihr ein Hohelied, für das andere verurteilt er sie zu zehn Jahren Haft. Nur scheinbar ein Widerspruch, sieht Annette doch Kontinuität: Kontinuität von Unterdrückung, von Widerstand, von Befreiung. Basierend auf dem Roman-Schrägstrich-Heldinnengesang von Anne Weber, der 2020 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, untersucht Kathrin Mayr in einer Fassung von Clemens Mädge und mit den drei Spielerinnen Magdalene Artelt, Marie-Thérèse Fontheim und Anne Hoffmann das Leben dieser spannenden Person, baut Podeste auf, um sie wieder einzureißen, und stellt die Frage: Was heißt es, über andere zu erzählen? Wer hat die Deutungshoheit über „Heldentum“?
Mit: Magdalene Artelt, Marie-Thérèse Fontheim, Anne Hoffmann
''Szenisch ist das zu dritt natürlich schwer darzustellen. So gibt es keine eindeutige Rollenverteilung. Die Darstellerinnen erzählen meist abwechselnd und sprechen dabei sich oder auch mal fragend das Publikum an, so dass man immer direkt im Geschehen ist. Unterstützt wird der Abend durch Live-Projektionen der Gesichter auf die Treppe und mit einer Sounduntermalung von Clemens Mädge. Inhaltlich umfasst der Abend vor allem die Zeit vor und nach dem Krieg. Annette will weiter für die Idee der Freiheit kämpfen. Aus einer Übersiedlung mit ihrem ersten Mann nach Indochina wird nichts. Ihre neue Aufgabe findet Annette mit ihrem zweiten Mann, einem Kommunisten, in der Unterstützung durch Botendienste für die FLN. Auch hier sieht man die drei Darstellerinnen wieder mit und gegen sich um die Wahl der Mittel ringen. Nicht nur die französische Regierung, auch die algerische Freiheitbewegung foltert. Trotzdem setzt Annette sich als Ärztin weiter für sie ein. Später geht die Reise noch in die Schweiz, um in der Nähe der Kinder zu sein, da sie weiterhin nicht amnestiert wird.
Hat man es hier mit einer Heldin zu tun? Woran macht sich Heldentum fest und wer bestimmt das? Wie der Roman lässt der Abend die Lebensgeschichte Annettes dafür sprechen, was weit mehr als nur eine erweiterte szenische Lesung ist. Wie im Roman markiert das Ende des Abends ein kleiner Vergleich mit dem ebenso an Algerien gebundenen Schriftsteller Albert Camus. „Camus war friedlich; Annette war es nicht.“ Das Schreiben in die Tat umsetzen - auch ein Vergleich mit dem antiken Sisyphos. Ein Leben als ständiger Kampf. Und trotz aller Mühen sollte man ihn/sie sich wohl am besten glücklich vorstellen. Ein Fazit, das natürlich auch als Appell ans Publikum gedacht ist.'' schreibt p. k. am 12. April 2024 auf KULTURA-EXTRA