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Schaubühne am Lehniner Platz
www.schaubuehne.de
Kurfürstendamm 153 - 10709 Berlin
Telefon: 030 890023
SPIELPLAN & KARTEN

Medea’s Kinderen

Bewertung und Kritik zu

MEDEA’S KINDEREN (Gent) 
von Milo Rau / NTGent
Regie: Milo Rau 
Premiere: 18. April 2024 (NT Gent) 
Deutschland-Premiere: 4. April 2025 (Gastspiel FIND) 
Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin 

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Zum Inhalt: Das rasende Weib, die Hysterikerin, die Rabenmutter, die ihren Hass nicht durch Vernunft zu bändigen weiß und an ihren unschuldigen Kinder auslässt: kaum ein antiker Stoff lieferte in der Geschichte des Theaters seit Euripides – der die Episode des Kindermordes dem alten Mythos überhaupt erst hinzufügte – Vorwand für so viele misogyne Klischees wie der von Medea. Milo Rau kehrt in seiner Inszenierung ihre Geschichte in radikaler Weise um. Anstelle der griechischen Sage rückt er einen realen belgischen Kriminalfall ins Zentrum. Eine Mutter lebt mit ihrem marokkanischen Ehemann und ihren fünf Kindern in Belgien. Der Vater aber verbringt mehr und mehr Zeit mit dem belgischen » Wohltäter«, der ihn einst nach Europa holte. Bis eines Tages die Mutter ihre Kinder in fast mathematischer Systematik ermordet. Die furchtbare Unbegreiflichkeit dieser Tat führt uns vor einen schwindelerregenden Abgrund von gesellschaftlichem Ausschluss, Erniedrigung, Abhängigkeit und Rassismus. Doch auch dramaturgisch und inszenatorisch stellt Rau den Mythos auf den Kopf. Sind die Kinder in den zahlreichen Dramatisierungen der Legende stumme Figuren, die sprachlos erleiden müssen, was ihnen angetan wird, so werden sie in »Medea’s Kinderen« nicht nur zu den Titelheld_innen: Sie werden auch von einem Ensemble von Kindern zwischen acht und dreizehn Jahren dargestellt. Dabei gelingt ihnen etwas Widersprüchliches: Während die Zuschauer_innen durch die perfekt inszenierte Nachahmung der Grausamkeit in einem fast unerträglichen Realismus mit den Taten der Mutter konfrontiert werden, gerät für die Darstellenden auf der Bühne das Inszenieren von Illusion und Theaterblut zu einem lustvollen Spiel. Die Gewalt als Mittel und ihre Wirkung auf die Zuschauer_innen kommt aus der Welt, die sie umgibt – und verwandelt sich nur auf der Bühne zur befreienden Übung in Traumabewältigung und Widerstand.

MILO RAU, geboren 1977 in Bern, ist Intendant der Wiener Festwochen | Freie Republik Wien. Er studierte Soziologie, Germanistik und Romanistik in Paris, Berlin und Zürich, u. a. bei Pierre Bourdieu und Tzvetan Todorov. Als Regisseur und Autor veröffentlichte er über 50 Theaterstücke, Filme, Bücher und Aktionen. Seine Theaterproduktionen waren u. a. zum Berliner Theatertreffen, Festival d’Avignon, Biennale di Venezia, Wiener Festwochen und Brüsseler Kunstenfestivaldesarts eingeladen und tourten durch über 30 Länder weltweit. Von 2018 bis 2023 war Milo Rau künstlerischer Leiter des NTGent (Belgien).

BÜHNE: ruimtevaarders
KOSTÜME: Jo De Visscher
VIDEO: Moritz von Dungern
DRAMATURGIE: Kaatje De Geest
LICHT: Dennis Diels
MIT: Peter Seynaeve / Lien Wildemeersch, Jade Versluys / Bernice Van Walleghem, Gabriël El Houari / Aiko Benaouisse, Emma Van de Casteele / Ella Brennan, Sanne De Waele / Helena Van de Casteele, Anna Matthys / Juliette Debackere, Vik Neirinck / Elias Maess

1 Kritik

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Meta-Theater mit Publikumsgespräch-Parodie und Splatter-Provokation
5 Monate her.
Kritik

Selten wurden Publikums-Nachgespräche so gekonnt parodiert wie in der Rahmenhandlung von Milo Raus „Medea´s Kinderen“. Peter Seynaeve sitzt mit sieben Kindern (zwischen Grundschulalter und beginnender Pubertät) auf Klappstühlen und spricht mit ihnen über den Abend, der vermeintlich gerade stattgefunden hat. Der Nachwuchs redet herrlich altklug daher, typische Floskeln und Muster eines Publikumsgesprächs werdeb durch den Kakao gezogen.

Auf der Meta-Ebene, aber bei weitem nicht so unterhaltsam geht es im Mittelteil der 90minütigen Koproduktion von NT Gent und Wiener Festwochen weiter. Der Medea-Mythos wird mit einem realen Mordfall in Belgien verschnitten, bei dem eine Frau ihre fünf Kinder ermordete. Dieser Mittelteil wird mittels vorproduziertem Video und Re-Enactment auf der Bühne recht schleppend erzählt und stellt seine verschachtelte Struktur allzu demonstrativ aus.

Im letzten Drittel setzt Jade Versluys als doppelte mörderische Mutter in einer hyperrealistischen Splatter-Kunstblut-Orgie zu einem brutalen Gemetzel an. Die Kinder werden erdrosselt und abgestochen, sie röcheln, strampeln, schreien, das Kunstblut spritzt, Kehlen werden so realitätsnah in Großaufnahme durchgeschnitten, dass es am Freitag bei der Berlin-Premiere zum FIND-Auftakt zu denkwürdigen Szenen kam, wie sie die Schaubühne am Lehniner Platz sicher lange nicht mehr und vielleicht noch nie erlebt hat: Janis ElBira schilderte in seinem Nachtkritik-Spiralblog in allen Details, wie Zuschauer in Ohnmacht fielen und sich übergaben.

Was ist diese Splatter-Szene mehr als pure Provokation um der Provokation willen? Bei der dritten und letzten FIND-Gastspiel-Vorstellung blieben besondere Vorkommnisse aus: kaum jemand verließ den Saal, ganz zu schweigen von medizinischen Notfällen, stattdessen langer Applaus mit vereinzelten standing ovations.

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