Der Fall McNeal
Wenn ChatGPT einen Abend für Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel schreiben müsste, wäre das Ergebnis wohl ziemlich nah an dieser Premiere: In kompakten knapp 100 Minuten bekommt sie ganz, ganz viel von ihrem Lieblingsschauspieler Ulrich Matthes zu sehen. Er fehlt in keiner der sieben Szenen, in dem ihm wechselnde Stichwortgeber an die Seite gestellt werden. Dazu kommt noch eine große Prise Naturwissenschaft und Computer-Technologie, die den ansonsten zu dünnsuppigen Stücktext über den Literaturbetrieb etwas bekömmlicher machen.
Matthes spielt den fiktiven, frisch mit dem Nobelpreis gekürten Starautor Jacob McNeal: im Original ein breitbeinig auftretendes, toxisches Ekelpaket, dessen Weg Leichen pflastern. Besser als zum feingliedrigen Star des Deutschen Theaters Berlin passt diese Rolle jedoch zu Joachim Meyerhoff, der im März in Jan Bosses deutschsprachiger Erstaufführung am Wiener Burgtheater auf der Bühne stand.
Das Beste an dieser Saison-Eröffnungsinszenierung von András Dömötör sind die Videos von Zsombor Czeglédi, die das KI-Thema kreativ umspielen und mit der Livekamera von Veniamin Itskovich interagieren. Während die Hauptfigur im fortgeschrittenen Stadium der Leberzirrhose dem Tod entgegentaumelt, machen McNeal Halluzinationen als Folge von Medikamenten-Nebenwirkungen zu schaffen. Als sich bei den Morph-Effekten die Gesichter des Ensembles überlagern, tut sich kurz eine Tür auf, die über ein starbesetztes „well-made-play“ hinausweist.





