ildebrando d'arcangelo. wie der name, so auch das durchdringende charisma. zu sehen auf dem fotodurchlauf im webauftritt der deutschen oper. herr ildebrando mit dem glutäugigen blick war der star der premiere des don giovannis 2010.
2015 verkörpert den aufreißer nun davide luciano, recht klein im wuchs, recht jung im gesicht. die eitle dauerpräsenz des don übersetzt er ins gockelhafte. sein bariton ist kraftvoll.
an seiner seite seth carico als durchtriebener gefährte leporello, der das haar seitlich rasiert trägt, einen bart und eigentlich auch aus einem schwulen nachtclub gefallen sein könnte. um die abgründe der stadt geht es regisseur roland schwab offenbar besonders. sein entwurf einer lasterhölle ist aber so dermaßen klischee, hilfe. fetischgummifummel, rotlichtgeblinker, albern-geiles gebahren, auf dem boden überall schwarze mülltüten oder verlorene lustopfer. leporello treibt ein täuschungsmanöver in eine mülltonne, die nun als verkleidung dient.
schwab dupliziert den aufreißertypus mann mit einer in schwarze anzüge gekleideten herrenriege. die stehen mal starr herum, bilden eine mauer oder feixen, zappeln, wälzen sich. und lenken ab.
2010 waren offensichtlich golfschläger in, diese dienen nun ständig als machtinstrument. damit wird getötet, entjungfert, gedroht. den opfern wird überheblich ein golfball in den starren mund gedrückt. zwischendurch gockelt don giovanni herum, verteilt gelbe karten, zählt damit kalt den countdown seiner opfer runter und leporello spielt das grausame spiel mit.
und die damen? donna anna, deren vater von don ermordet wird, ist die unglückselige. donna elvira, die unglücklich verliebte, eifersüchtige. zerlina wird vom frauen-inhalierer bei ihrer hochzeit überrascht und als noch unschuldige beute weggeschleppt. auch sie wird nicht mehr glücklich.
stimmlich ist der abend ausdrucksstark besetzt. das italienisch perlt, die übertitel laufen in deutsch und englisch. mozarts musik zieht ihr drama aber mehr aus herzeleid. wo ist der wumms, der wirklich in den (seelischen) abgrund zieht? in den schwarzen mülltüten?
das platte bühnenbild war keine augenweide (etwas romantik keimte kurz bei der hochzeitsszene auf mit beleuchteten weißen papierblumen). wenn es komisch werden sollte, schlug der performance-kaspar zu. das finale, in dem don giovanni seine abrechnung erhalten soll, bauscht sich auf in angstgebärden.
schwab lässt den herzensmörder aber davonkommen. die konfrontation mit dem komtur ist nur symbolisch und an die zuschauer gerichtet.
schön sind die annäherungen an das publikum über einen um das orchester gebauten laufsteg. vitalität kann sich kurz entfalten, ansonsten ermüdet die hau-drauf-gestaltung.
mit einem kleinen seufzer gedenkt frollainwunder inszenierungen wie dem "freischütz" oder "don carlos" an der staatsoper. es geht doch mit (ungewöhnlichem) stil. man muss einen klassiker nicht unbedingt absurd gestalten um zeitgeist (2010) einzufangen. und wenn schon absurd, dann empfiehlt sich die konsequent durchgeknallte inszenierung von mr. murmel herbert fritsch an der komischen oper.
aber die deutsche oper ist ein komfort-traum.
(zur vorstellung vom 1.11.15)