Kritik
Was lange währt, wird endlich gut: Nach fünf Jahren Entwicklungszeit ist nun die erste queere Operette auf die Bühne gekommen, genauer gesagt, auf die des BKA Theaters. Wohin sonst könnte sie besser passen, auch wenn es hier räumlich nicht für einen Orchestergraben reicht. Dies tut der Inszenierung aber keinen Abbruch, wird diese Produktion einer klassischen Operette doch in allen anderen Belangen mehr als gerecht.
Theaterautor Johannes Kram hat dieses Novum aus der Wiege gehoben, er zeichnet für alles Textliche verantwortlich, zusammen mit Komponist Florian Ludewig, der in diese Produktion sein musikalischen Knowhow einbrachte. Und so musste die 'Operette für zwei schwule Tenöre' einfach rundum professionell werden; neben den Texten und der Musik überzeugen aber auch noch Regie, Choreographie und die gesamte Darstellerriege auf ganzer Linie.
Felix Heller als Jan und Ricardo Frenzel Baudisch als Tobi sieht man ihre Musicalerfahrung an, sie spielen mit viel Verve und Stimme. Aber auch die sogenannte 'Company', aus Tim Grimme, Tim Olcay und Pascal Schürken bestehend, bereichern die Produktion überzeugend und machen sie mit ihren Tanzeinlagen erst rund.
Die Geschichte scheint aus dem Leben gegriffen: Krankenpfleger Jan und Grafiker Tobi haben sich auf dem jährlichen Schützenfest kennengelernt, in einem Dorf, in dem sie in einem Häuschen mit Garten nun der Zweisamkeit huldigen, Jan ist dort aufgewachsen, Tobi aus Berlin zugezogen, bewusst, um der schwulen Szene zu entfliehen. Und so sind die Probleme fast vorprogrammiert: Jan hält diese Enge irgendwann nicht mehr aus und flüchtet sich kurz nach dem vierten Jahrestag der beiden in die Großstadt Berlin, Tobi dagegen fühlt sich wie der Rest vom Schützenfest.
Gesprochene Texte - immer wieder schön, wenn beide Männer abwechselnd ganz unterschiedlich von ein und der gleichen Begebenheit berichten - wechseln ab mit echten Operetten-Hits wie 'Mein Fetisch ist die Operette', 'Wann fahr'n wir wieder zu Ikea', 'Ich möchte anders sein', 'Champagner von Aldi', 'Liebe Grüße aus Berlin', 'Ich steh total auf Jens Riwa' und und und... Die Lieder sind eingängig, laden fast zum Mitsingen ein und dann kommt's, der Refrain konterkariert: 'Keiner bläst so gut wie du' bringt uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, dies aber im besten Sinne. Am Ende dann 'Ein Liebeslied von Mann zu Mann', ach ja...
Der Abend amüsiert und berührt, was sicher auch der guten Geschichte und dem glaubwürdigen Spiel der Darsteller zu verdanken ist. Am Ende ist hier die gute alte Operette auf die Bühne gekommen, albern schräg und eben mit zwei schwulen Hauptdarstellern, die das ganz große Gefühl vermitteln.
Das Publikum dankt mit langem Beifall und Standing Ovations: Unbedingt selber gucken!