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Woyzeck

Bewertung und Kritik zu

WOYZECK 
von Georg Büchner
Regie: Ulrich Rasche 
Premiere: 15. September 2017 
Theater Basel

Eingeladen zum 55. Berliner Theatertreffen (2018) 
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Zum Inhalt: Georg Büchners zerbrechliches Fragment, eines der bedeutendsten und einflussreichsten Dramen der deutschen Literatur, basiert auf dem Fall des Soldaten und Friseurs Johann Christian Woyzeck, der seine Geliebte erstach und dafür zum Tode verurteilt wurde. Büchner waren die Fakten des historischen Kriminalfalls bekannt, über den juristische, medizinische und psychologische Gutachten verfasst wurden. Er zeigt einen Eifersuchtsmord und seine Vorgeschichte: Woyzeck, «guter Kerl und armer Teufel», finanziell an den untersten Rand der Gesellschaft gedrängt, von seinen Vorgesetzten gedemütigt, von der Wissenschaft zum Studienobjekt gemacht, ist dem radikalen Mangel an Empathie seiner Umwelt ausgeliefert. So wird er schuldig, nachdem seine Ängste, Triebe und Begierden obszön aufbrechen. Doch «Woyzeck» geht weit über den traurigen Einzelfall einer geschundenen Kreatur hinaus. Büchner untersucht am «Subjekt Woyzeck» die immer gültige Frage unserer Abhängigkeit von gesellschaftlichen Bedingungen, die «ausser uns liegen», nach sozialen Verhältnissen, individueller Freiheit und schicksalhafter Determination. 

Inszenierung und Bühne: Ulrich Rasche

Bühnenbildmitarbeit: Sabine Mäder
Kostüme: Sara Schwartz
Komposition: Monika Roscher
Sounddesign: Alexander Maschke
Licht: Cornelius Hunziker
Chorleitung: Toni Jessen
Dramaturgie: Constanze Kargl

TRAILER

 
Meinung der Presse zu „Woyzeck

Theater Basel

 
Zürcher Tages-Anzeiger
Bis man sich fast die Hände kaputtklatscht


Süddeutsche Zeitung 
Immerzu, immerzu!

Badische Zeitung
Rädchen im Getriebe


nachtkritik
Im mitleidlosen Räderwerk

FAZ 
Strauchelnde Menschheit

4.0 von 5 Sterne
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    1
  • 4 Stern(e)
    5
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    0
  • 1 Stern(e)
    0
Geschundene Kreaturen auf rotierender Scheibe
6 Jahre her.
Kritik
Böse Zungen könnten dem Regisseur Ulrich Rasche vorwerfen, dass er sein Konzept gigantischer Maschinen und Walzen, die sich unerbittlich im Kreis drehen und die Spieler als ohnmächtige Kreaturen erscheinen lassen, wie am Fließband ständig mit leichten Variationen recyclet. Für Georg Büchners „Woyzeck“ gelingt ihm jedoch eine sehr überzeugende Setzung. Wir erleben einen Hauptdarsteller, der von Marie als „hirnwütig“ beschimpft wird und sich als Getriebener in einen psychotischen Wahn hineinsteigert. Nicht nur die Autoritäten der Gesellschaft (der Tambourmajor, der Hauptmann) versuchen ihn, in ihr Korsett enger Moralvorstellungen und begrenzter Handlungsspielräume zu pressen, und werfen ihm vor, dass er keine „Tugend“ habe. Auch die Zug- und Fliehkräfte der kreisenden Drehscheibe, die anfangs leicht geneigt ist und am Ende fast senkrecht steht, macht ihm das Leben zur Tortur. „Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Das Bemerkenswerte an Ulrich Rasches Inszenierung ist, dass sie diesen zentralen Satz aus dem „Woyzeck“-Fragment plastisch spürbar werden lässt. Anders als bei den Münchner „Räubern“ und seinem Dresdner „Das Große Heft“ gibt es diesmal keinen martialisch auftretenden Chor. Im Zentrum stehen klar erkennbare Individuen. Aber nicht nur der Woyzeck, sondern auch alle anderen, nur scheinbar so selbstsicheren Figuren sind an die rotierende, schwankende Drehscheibe gekettet. Ständig in Bewegung, den Abgrund und die Leere vor Augen, mühen sie sich ab, treten aber doch auf der Stelle und sind den Flieh- und Zugkräften ausliefert. Der Anblick der gleichförmig marschierenden, schwitzenden Kreaturen und der Klangteppich der Live-Musiker, der diesmal aber bei weitem nicht die Dresdner Dezibel-Stärken erreicht, spaltet das Publikum: stehende Innovationen für kluges, beeindruckendes, wenngleich nicht mehr ganz so intensiv-überwältigendes Theater wie bei seiner „Räuber“-Einladung zum Theatertreffen auf der einen Seite. Genervte Blicke zum Handy, mit den Füßen scharrende, die Monotonie dieses fatalistischen Kreislaufs nicht aushalten könnende, zur Pause flüchtende Zuschauer auf der anderen Seite. Weiterlesen
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1 von 3 Person(en) gefiel diese Kritik
Überwältigungstheater
6 Jahre her.
Kritik
''Die Inszenierung polarisiert: Nach der Pause haben sich die Reihen ob des monotonen, zähen, ermüdenden Kreisens merklich gelichtet – trotzdem ist der Applaus am Ende groß. Rasche inszeniert großes, lautes Überwältigungstheater. Wenn Woyzeck gegen Ende in der Mitte der fast senkrechten Scheibe zappelt wie eine Fliege im Netz, um ihn herum an den Außenseiten die anderen Spieler, die ihn mit nacktem Oberkörper umkreisen und ihn im Chor nach seinen blutigen Händen befragen, ist das stark, beängstigend, aber auch sehr martialisch. Das kann in seiner Ästhetik auch abstoßen.     Über die Dauer von drei Stunden gibt es zudem einige Durststrecken. Die bei Büchner so verschiedenen Woyzeck-Szenen, die mal expressionistisch gefärbt sind, mal grotesk, mal realistisch, mal psychologisch, werden hier ganz und gar ins existentialistische Spiel eingeebnet. Alle Szenen sehen ähnlich aus, alles wird ähnlich gespielt. Nichtsdestotrotz gehörte Rasches auffällige Ästhetik unbedingt beim Theatertreffen vorgestellt – und kann durchaus beeindrucken.'' schreibt Barbara Behrendt auf kulturradio.de
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1 von 2 Person(en) gefiel diese Kritik
THEATER BASEL
6 Jahre her.
Kritik
''Beispielhaft dekliniert Büchner in seinem Stück den Gang der Dinge. Durch die Zurichtungen seines moralisierenden Hauptmanns, den Woyzeck täglich für ein paar Groschen rasiert und der ihm dafür Tugendpredigten hält, oder durch die an seiner Physis und Psyche zehrenden Experimente des Doktors, der ihm den freien Willen abspricht und ihn als Hund bezeichnet, wird Woyzeck systematisch in den Wahn getrieben. Der Mensch fängt hier erst beim Tambourmajor an, der Woyzeck die Frau ausspannt, ihn erniedrigt und prügelt. Viehisch sind hier aber alle, soweit nivelliert Rasche sein Dramenpersonal und stellt es neben- oder in Reihe hintereinander. Büchners Text wird lang zerdehnt und im Takt der Musik mehr gebellt als gesprochen. Regisseur und Bühnenbildner Rasche hat das sehr bildgewaltig in Szene gesetzt. Getrieben, verhetzt, sich in Schritt und Haltung der Drehbewegung anpassend, oder sich ihr mit letzter Kraft entgegensetzend schwitzt und keucht sich Nicola Mastroberardino als Woyzeck durch den gut dreistündigen Abend. Das Drama einer Menschzernichtung durch die Gewalt der Sprache ist hier vor allem auch als physischer Akt erfahrbar.  Leichte Nuancen in der Darstellung gibt es nur bei Franziska Hackl, die ihre Marie mit sehr viel Stolz und Trotz ausstattet. Thiemo Strutzenberger und Florian von Manteuffel als Hauptmann und Doktor umkreisen ihr Opfer Woyzeck wie Geier die Beute. Michael Wächter lässt seinen Tambourmajor vor Manneskraft strotzend nach Brandewein brüllen. Dann setzen endlich in der Kneipenszene auch die Chorpassagen ein. „Ein Jäger aus der Pfalz“ als martialisches Wortstakkato zu rhythmisch immer stärker forcierender Musik. „Immer zu! - immer zu!“ skandiert Woyzeck auf der hochfahrenden Schreibe. Der Blick in den menschlichen Abgrund, der schwindelnd macht. Ein in die Enge getriebenes Tier umringt von gleichgeschalteten Maschinenmenschen. Hier ist Rasches düster pessimistische Setzung ganz bei Büchners Zweifel an der Wirkung der Aufklärung. Kleists Marionettentheater ist bei Büchner die „Drahtpuppe“ (Der Hessische Landbote). Der Mensch ein Automat, der sprechen kann. Nie hat Rasches Stil so gut gepasst. Und doch fragt man sich: Wie soll es weiter gehen? Nach der Potenzierung der chorischen Wucht auf zwei Scheiben zu Ágota Kristófs Das große Heft in Dresden scheint eine Steigerung für Mitwirkende wie Publikum kaum noch möglich.'' schreibt Stefan Bock am 18. Mai 2018 auf KULTURA-EXTRA
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0 von 1 Person(en) gefiel diese Kritik

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