Zum Inhalt: Wenn Jugendliche und Erwachsene zusammen über Sex sprechen, heisst es schnell – Stopp! Denn: Sex gilt als gefährlich, noch immer. Frank Wedekinds Skandalstück Frühlings Erwachen wurde 1891 in Berlin zensiert, in Zürich jedoch publiziert. FrühlingsErwachen von Suna Gürler und Lucien Haug aus dem Jahre 2020 cancelt sich selbst: «Frühlings Erwachen ist abgesagt – aber wir müssen reden.»
Mit Orell Bergkraut, Sascha Bitterli, Jasmin Gloor, Matthias Kull, Matthias Neukirch, Elmira Oberholzer, Dominik Schüepp / Timo Muttenzer
Inszenierung: Suna Gürler Text: Lucien Haug Bühne: Moïra Gilliéron Kostüme: Ursula Leuenberger Musik: Yanik Soland / Manuel Gagneux Licht: Gerhard Patzelt Dramaturgie: Laura Paetau, Marta Piras
Eine der stärksten Passagen ist das Solo von Jasmin Gloor, die von der Fahrt mit dem Postbus zu ihrer Oma und von ihrem zögernden lesbischen Coming-out berichtet. Wie bei den Stückentwicklungen von Yael Ronen am Gorki Theater bleibt bei diesen sehr intimen Texten in der Schwebe, wie viel davon autobiographisch ist und wie viel davon vom Autor Lucien Haug im Probenprozess gescripted wurde.
Das Berliner Gorki Theater war auch in Suna Gürlers Karriere nach ihren ersten Schritten am jungen theater basel eine prägende Station, bevor sie Hausregisseurin in Zürich wurde. Sie war in den ersten drei Stücken von Sibylle Bergs Tetralogie dabei, stampfte sich wütend durch <Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen> und inszenierte als Regisseurin den feministischen Aufschrei <Stören>.
Auf der Treppe, die Moïra Gilliéron auf die Pfauen-Bühne baute, sind die jungen Spieler*innen zwar auch viel in Bewegung. Der Abend wirkt aber nicht so durchchoreographiert und aus einem Guss wie die Gorki-Arbeiten von Gürler/Haug. Dies liegt sicher auch daran, dass die Proben kurz vor der Premiere vom Lockdown unterbrochen wurden und das Stück umbesetzt werden musste: Um die Corona-Abstandsregeln besser einzuhalten, sind Thelma Buabeng und Thomas Wodianka nicht dabei. Es wäre sehr spannend gewesen, wie die beiden starken Schauspiel-Persönlichkeiten mit den Teenager*innen interagiert hätten und welche Dynamik sich entwickelt hätte, auch wenn die Gefahr bestand, dass Buabeng/Wodianka den Nachwuchs zu sehr in die Nebenrollen gedrängt und an die Wand gespielt hätten.
So ist aus dem Ensemble des Zürcher Schauspielhauses nur Matthias Neukirch dabei, der sich auf die Rolle des Stichwortgebers und Zuhörers beschränkt und gegen Ende in ein albernes Vulva-Kostüm schlüpfen muss. Die einzelnen Soli hinterlassen den Eindruck einer Nummern-Revue, die um die Themen Sex und Pubertät kreist und recht unvermittelt abbricht.
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