Ich habe [i]Der Glöckner von Notre Dame [/i]in den Jahren zwischen 1999 und 2002, als es im Theater am Potsdamer Platz lief, bestimmt fünf Mal gesehen! Das mag für echte Hardcore-Musicalfans nicht nach sonderlich viel klingen, aber für meine Verhältnisse ist es das. Ich schaue eigentlich Shows und Stücke nicht unbedingt mehrmals. Aber [i]Der Glöckner von Notre Dame[/i] ist einfach eine solch zeitlos traurig-schöne Geschichte und die Disney Version punktet mit so vielen grandiosen Songs, da konnte ich einfach nicht widerstehen! Ihr könnt euch also meine Begeisterung vorstellen, als ich hörte, dass der Bucklige wieder nach Berlin kommen würde, dieses Mal ins prächtige Theater des Westens! Und dem ganzen eine Krone aufgesetzt, hat die Tatsache, dass die Esmeralda von niemand anderem dargestellt wird als von Sarah Bowden! Ich liebe ihre Stimme, ihre Ausstrahlung, ihr Temperament seitdem ich sie mehrmals im Wintergarten Varieté sehen durfte, in der
Soap Opera zum Beispiel oder in meinem All Time Favorite:
Der helle Wahnsinn.
Ich konnte also gar nicht fernbleiben, selbst wenn ich gewollt hätte. Und ich wurde nicht enttäuscht! Was für ein bombastisches Werk! Allein der Bühnenaufbau – grandios! Beeindruckend echt hat man die berühmte Kathedrale Notre Dame auf die Bühne des Theaters transportiert. Das weltbekannte Buntglasfenster, der imposante Glockenturm, man fällt kopfüber hinein in die tragisch-heroische Geschichte von Victor Hugo: zwei ungleiche Brüder, einer stolz und selbstgefällig, einer fröhlich und freiheitsliebend. Sie werden als Waisen von der Kirche aufgezogen, einer folgsam, einer immer rebellisch. Als junge Männer trennen sich ihre Wege, der eine verliebt sich in eine schöne Zigeunerin, der andere bahnt sich langsam aber stetig einen Weg bis an die Spitze der Kirche. Jahre später treffen sie sich wieder, auf dem Sterbebett übergibt Jehan, der wilde Bruder seinem Bruder Claude sein Kind. Es ist missgestaltet und Claude Frollo nimmt sich nur sehr widerwillig seiner an. Er versteckt das Kind auf dem Glockenturm, niemals soll der Junge Notre Dame verlassen.
Als junger Mann schaut Quasimodo hinab auf Paris, das er bis dahin immer nur von oben sah. Sein eintöniger Alltag wird nur unterbrochen von den Besuchen Frollos, den er „Meister“ nennt. Frollo predigt vom Bösen im Menschen, er warnt Quasimodo immer wieder vor dem „Draußen“, aber der junge Mann kann einfach nicht anders, als sich dorthin zu sehnen. Das alljährliche Narrenfest lockt mit wilden Tänzen und allerlei Vergnüglichkeiten, Quasimodo schleicht sich hinab zwischen all die Feiernden. Auch die schöne Zigeunerin Esmeralda befindet sich an diesem Tag auf dem Fest und ohne es zu wissen, zieht sie die Blicke von drei ganz unterschiedlichen Männern auf sich und besiegelt damit ihrer aller Schicksal: Quasimodo, der sie staunend bewundert. Phoebus, ein junger Soldat, gerade von der Front zurückgekehrt und auf der Suche nach Zerstreuung. Und Frollo, der gleichzeitig angezogen und abgestoßen, den gierigen Blick nicht von ihr wenden kann.
Das Schicksal nimmt unweigerlich seinen Lauf, der alleszerstörende Hass, den Frollo auf sich selbst und seine eigenen Triebe hat, droht nicht nur die zart aufkeimende Liebe zwischen Esmeralda und Phoebus zu zerstören, sondern bedroht gar das Leben der beiden und auch das von Quasimodo, der bereit ist, für Esmeralda seinen Glockenturm, seine Zuflucht zu verlassen! Eine dramatisch-schöne Geschichte voller Liebe, Mitgefühl, Mut und Verzicht. Wen „Disney“ irgendwie abschreckt: Die Geschichte lehnt sich mehr an den Roman von Victor Hugo als an den Zeichentrickfilm, aber die wunderbaren Gänsehautlieder sind enthalten. Vom ersten Ton an, wenn der Kirchenchor ( ORSO ) seine Stimme erhebt, weiß man schon, was für ein musikalisch beeindruckender Abend es werden wird. Jede einzelne Stimme: perfekt. David Jakobs als Quasimodo, eine schauspielerische und gesangliche Meisterleistung! Sarah Bowden als Esmeralda: rassig, wild, temperamentvoll und wunderschön, aber auch sanft und gefühlvoll in ihren sehnsuchtsvollen Liedern. Felix Martin als Claude Frollo, geradezu abstoßend selbstherrlich, herrisch, unnachgiebig, ein Erzschurke mit beeindruckender Stimme! Maximilian Mann als Phoebus, zunächst leichtlebig und nur auf der Suche nach Zerstreuung, aber dann doch auch ein Mann mit Herz und Anstand. Und auch jeder einzelne Zigeuner, Soldat und/oder Mönch ist wunderbar und vor allem sehr wandlungsfähig!
Ein richtig schönes Musical zum Schwärmen und Mitleiden. Genau so, wie man sich ein Musical wünscht, mit ganz großen Gefühlen, ganz großen Ohrwurmliedern und ganz großer Aufmachung. Rundherum bombastisch, ein Fest für alle Sinne. Man möchte am liebsten auf seinem Sitz sitzenbleiben und es gleich nochmal schauen! Meine absolute, totale und unumwundene Empfehlung für dieses Musical!
©Nicole Haarhoff