Kritik
[color=#001000]Das Musical „Tanz der Vampire“ basiert auf dem gleichnamigen Film von Roman Polanski von 1967. Ja, das ist alt und wenn Vampire nicht unsterblich wären, dann wären einige wahrscheinlich unterdessen schon gestorben. Und wie damals beim Film führte Polanski auch bei der Bühnenfassung Regie.
[color=#001000]Die Geschichte ist auch ähnlich: Professor Abronsius und sein junger Student Alfred reisen nach Transsilvanien, um die Existenz von Vampiren zu beweisen. Angekommen in einem Gasthaus fühlen sie sich den Blutsaugern schon ganz nah, jedoch bestreiten alle Dorfbewohner, dass es hier Vampire gäbe – allerdings trägt jeder unübersehbar eine Knoblauchkette um den Hals. Alfred verliebt sich sofort in die Tochter des Wirts, Sarah, allerdings hat noch ein anderer ein Auge (oder einen Zahn?) auf sie geworfen: Graf von Krolock, der Vampirfürst. Und der lädt Sarah auf den jährlichen Ball im Schloss ein, wo er ihr an die Ader will. Für den lästigen Nebenbuhler Alfred hat er auch Verwendung: Er soll neuen Schwung und frisches Blut in das Leben seines schwulen Sohnes Herbert bringen. Auf dem Ball wird Sarah vom Grafen gebissen, aber ist sie nun tot oder untot, egal, Alfred und der Professor retten sie und sind damit selbst verloren, denn am Ende bohrt die schöne Sarah ihre Zähne in Alfreds Hals und die Vampire triumphieren. Und tanzen.
[color=#001000]Die Gretchen-Frage ist hier die Krolock-Frage: Wer spielt den Grafen?! Da alle, die Krolock schon gespielt haben, aktuell andere Verpflichtungen haben (leider auch unser Favorit Florian Soyka), wurde der italienische Sänger Filippo Strocchi engagiert. Am 20.11.18 erlebten wir allerdings die Zweitbesetzung. Ein junger Mann namens Robert Meyer sang und spielte den Krolock. Das eine tat er bravourös (Singen), beim Spielen gibt’s noch Luft in der Gruft. Er wirkt auf der Bühne, nun ja, blutleer - was nicht weiter verwunderlich ist, schließlich ist er ein Vampir - aber er ist nicht so präsent, wie andere, er singt großartig, spielt aber wenig. Es war erst seine 2. Vorstellung, erfährt man auf seiner Seite. Nur Mut, Graf Meyer, Sie haben nicht nur eine Stimme, sondern auch ein Gesicht und Hände und einen Körper – SPIELEN Sie!
[color=#001000]Die Show gestohlen hat dem Grafen gestern sein homosexueller Sohn Herbert, gespielt von Christian Funk. Der hatte voll Blut geleckt und hat aus der viel kleineren Rolle ein Leckerchen gemacht. Auch die zweite Zweitbesetzung des Abends, Janis van Dorsselaer als Magda (statt Sara Jane Checchi) war vortrefflich, stimmlich souverän und spielfreudig. Eine Entdeckung war ebenfalls Raphael Groß als Alfred. Er ist äußerlich ein wenig ein Eddie-Redmayne-Typ, gesanglich famos und der imponierenden Sarah (Diana Schnierer) durchaus gewachsen. Virtuos ist das gesamte Ensemble, denn „Tanz der Vampire“ ist auch eine eindrucksvolle Ensembleaufgabe. Die Sänger, die Tänzer – alle Blutgruppe A!
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Die Musik von Jim Steinman ist eine rasante Mischung aus Rock und Schlager, Oper und Operette, Pop und Disco. Irgendwann denkt man: Mensch, das klingt doch wie „Total Eclipse of the Heart“ von Bonnie Tyler und dann klingt auch noch was wie Meat Loaf oder David Bowie und man liest nach: Steinman hat hemmungslos bei seinen eigenen Stücken geklaut, was nicht weiter schlimm ist, wenn es am Ende so vampirisch gut klingt.
[color=#001000]Die Ausstattung, ein gelungener Mix aus klassischem Bühnenbild, Projektionen und Effekten, ist schaurig-schön, die Kostüme sind vorzüglich und ein grausiger Duft von Pomade, Perückenkleber und wallenden Umhängen wabert die ganze Zeit über durch das blutrote Theater. Am Schluss gab es Standing Ovations, was man ja nun auch nicht alle Tage im Theater erlebt und worüber sich augenscheinlich sogar Vampire freuen, denn wie heiß es: Der Applaus – das Brot des Künstlers. Was in diesem Fall nur bedeuten kann: Der Applaus – das Blut der Vampire.