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ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM

Bewertung und Kritik zu

ÜBERGEWICHT, UNWICHTIG: UNFORM 
von Werner Schwab
Regie: Rieke Süßkow 
Premiere: 10. Februar 2024 
Staatstheater Nürnberg 

Eingeladen zum 61. Berliner Theatertreffen (2024) 

Zum Inhalt: Sechs Stammgäste, sogenannte „gescheiterte Existenzen“, und eine Wirtin philosophieren in einer Kneipe über das Menschsein. Schweindi und Hasi sind ein Paar mit ausgeprägtem Kinderwunsch. Der primitive Karli schlägt seine Frau, die verblühte Schönheit Herta. Dazwischen versucht der Pädagoge Jürgen als intellektuelle Spitze der Stammgäste, die Humanität aufrecht zu erhalten, während Fotzi sich durch das Zeigen ihres Unterleibs Kleingeld für die Musicbox verdient. Beobachtet werden sie von einem schönen Paar, das sich an den „göttlichen Idioten“ voyeuristisch weidet. Die Situation eskaliert.

Der 1994 früh verstorbene Grazer Autor Werner Schwab war in den 90er-Jahren der Shootingstar der Theaterszene. Er zeigt in „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“ wie Leute von der Sprache getrieben werden, sich verrenken und an ihr zerbrechen. Bei aller feiner Sprachkunst und entlarvender Komik wird ein tiefer Riss in unserer Gesellschaft deutlich.

Regie: Rieke Süßkow
Bühne: Mirjam Stängl
Kostüme: Sabrina Bosshard
Dramaturgie: Klaus Missbach
Musik: Philipp C. Mayer
Trampolintrainer: Yannick Meier
Licht-Design: Paul Grilj

3.0 von 5 Sterne
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In einer Jahrmarktsschießbude
10 Monate her.
Kritik

''So aufgereiht bewegen sich alle zunächst ohne Kleidung zu Flipper-Geräuschen von links nach rechts, bis die sieben Wirtshaus-Figuren in Kostümen in der Reihe erscheinen. Das schöne Paar ist dabei noch nicht zu sehen. Erst wenn der Bühnenkasten noch eine obere Ebene frei gibt, sieht man dort zunächst Katharina Kurschat als SIE und Sascha Tuxhorn als ER in feiner Kleidung an einem Früchtekorb essend und sich angeregt unterhaltend. Das ist ein Kunstgriff, der eine noch stärkere Distanz schafft, als sie rein von Schwabs Sprache schon gegeben ist. Das schöne Paar hebt sich hier noch viel mehr von der in ihrer Typenhaftigkeit ausweglos gefangene Gesellschaft ab, die zuvor beständig nur um ihre eigenen Unzulänglichkeiten kreisend genau wie in einem ewigen Schießbudenspiel gefangen bleibt. Erst die Auflösung dieser Situation mit der Öffnung der oberen Ebene ermöglicht den Figuren sich aus ihrer Starre zu lösen und in der übergreifenden Orgie ihre neue Position zu finden. Auch dass sich die Öffnung des Bühnenkastens dabei wie ein Mund auf und zu bewegt, ist ein wirkungsvoller Effekt.

Zusätzlich wechselt Süßkow die teils bereits gendercross besetzten Rollen (siehe unten) dann noch mal im zweiten Teil. Auch die Figurennamen wie etwa das kinderlose Paar Schweindi und Hasi oder die ehemalige Dorfschönheit Fotzi, die immer wieder ihr Geschlecht für Münzen für die Jukebox herzeigt, erhalten hier durch die schräge Kostümierung und maschinenhaft abgehackten Bewegungen der DarstellerInnen eine noch viel drastischere Wirkung. Ob allerdings diese Art der Verfremdung einen besseren Zugang zur schon stark verfremdeten Sprache des Autors ermöglicht, sei mal dahingestellt. Süßkow gelingt aber durchaus ein nicht nur amüsierender Zugriff auf Schwabs auch heute noch recht obszön wirkende Sprache, die die Regisseurin teilweise noch recht derb sexuell verbildlicht. So kommt es z.B. zu einer recht komischen Masturbationsszene unten, bei der sich das schöne Paar oben geräuschvoll an Lauchstangen zu schaffen macht. Das an derlei expliziten Obszönitäten doch mehr gewöhnte Publikum in Berlin wird daran aber sicher auch seinen Spaß haben.'' schreibt p. k. am 10. April 2024 auf KULTURA-EXTRA

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Stilisierte Comic-Ästhetik
10 Monate her.
Kritik

Die Schauspieler sind wie Schießbudenfiguren auf einer Jahrmarktsbuden-Guckkasten-Bühne von Mirjam Stängl aufgereiht. Die Individualität der einzelnen Spieler des Ensembles verschwindet völlig hinter den Strumpfmasken und quietschbunt aufgepolsterten Kostümen von Sabine Bosshard. Die Marionettenhaftigkeit dieser Witzfiguren, die im Kneipensuff hängengeblieben sind, wird in Rieke Süßkows Inszenierung bei jeder kleinsten Bewegung überbetont. Genauso mechanisch dudelt die Jukebox-Musik (Philipp C. Mayer).

Die eine Idee, die Schwab-Figuren in eine überstilisierte Comic-Ästhetik zu überführen, zieht das Quartett konsequent durch. Den loopverliebten Geschmack der Theatertreffen-Jury treffen sie damit. Mehr als 45 Minuten kann die Kunstfertigkeit dieser Fingerübung nicht tragen, zu dünn ist die eine Konzeptidee des 66minütigen Schwab-Comic-Abends.

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