ISMAEL in «Moby Dick»

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    1. Kapitel 

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    19083606 19083606 XlISMAEL: Nennt mich Ismael. Als ich vor einigen Jahren – wie lange es genau her ist, tut wenig zur Sache – so gut wie nichts in der Tasche hatte und von einem weiteren Aufenthalt auf dem Lande nichts mehr wissen wollte, kam ich auf den Gedanken, ein wenig zur See zu fahren, um die Welt des Meeres kennenzulernen. Man verliert auf diese Weise seinen verrückten Spleen, und dann ist es auch gut für die Blutzirkulation. Wenn man den scheußlichen Geschmack auf der Zunge nicht loswerden kann; wenn man das Frostgefühl eines feuchten und kalten Novembers auf der Seele hat; wenn man unwillkürlich vor jedem Sargmagazin stehenbleibt und jedem Leichenzug nachsieht, wenn man sich der Schwermut nicht mehr erwehren kann, daß man auf die Straße stürzen und vorsätzlich den Leuten den Hut vom Kopfe schlagen müßte, dann ist es allerhöchste Zeit, auf See zu gehen. Das ist für mich Ersatz für Pistole und Kugel. Cato stürzte sich mit einer philosophischen Geste in sein Schwert. Ich entscheide mich in aller Ruhe für das Schiff. Das ist durchaus nichts Besonderes! Wenn sie es wüßten, so würden mit der Zeit mehr oder weniger alle dem Ozean mit denselben Gefühlen begegnen wie ich. [...] Wenn ich nun sage, daß ich nicht als Passagier, wenn ich auch um Augen und Lungen anfange, besorgt zu werden, zur See gehe, so habe ich dafür meine Gründe. Schon weil man als Passagier Geld braucht, und ich keins habe. Was sind auch Passagiere, die seekrank werden, leicht die Haltung verlieren, des Nachts nicht schlafen können und mit der See nicht viel anzufangen wissen! Ich möchte auch nicht als Kommandant, als Kapitän oder als Schiffskoch gehen. Ich überlasse den Ruhm und die mit hohen Ämtern verbundenen Ehrungen denen, die darauf Wert legen. Als Koch könnte ich mir ja viel Lob erwerben. Aber ich kann aus irgendwelchen Gründen dem Braten von Geflügel nicht viel Geschmack abgewinnen. Nicht, daß ich für das gebratene Geflügel, wenn es mit Butter geschmort und anständig gesalzen und gepfeffert ist, nicht zu haben wäre! Es gibt niemand, der vor einem gebratenen Stück Geflügel größeren Respekt, ja größere Ehrfurcht hätte als ich! Wie müssen die alten Ägypter in ihre gekochten Ibisvögel und gerösteten Flußpferde vernarrt gewesen sein, daß man die Mumien dieser Tiere als Zeichen der Verehrung in ihren kolossalen Backhäusern, den Pyramiden, vorfindet! Wenn ich nun zur See gehe, so will ich einfacher Matrose sein, der seinen Platz am Mast hat, sich in die Vorderkajüte fallen läßt und von da bis zum Oberbramsegel emporsteigt. Natürlich werden sie mich wie eine Heuschrecke auf der Wiese von Spiere zu Spiere springen lassen. Selbstverständlich ist solch ein Leben alles andere als angenehm. Es wird einem schwer, wenn man von den van Renselears, den Randolphs oder den Hardicanutes, alten, ehrwürdigen Familien, abstammt. Und mit der Hand, die jetzt Teereimer anfaßt, hat man sich vor den längsten Bengels, als man noch zu Lande Lehrer war, Respekt verschafft. Es ist ein Übergang, der wohl zu merken ist. Man muß viel von einem Seneca und den Stoikern mitgekriegt haben, wenn man nicht mit der Wimper zuckt. Aber auch dieser Vorrat geht mit der Zeit drauf! Was soll man tun, wenn ein alter Knacker von Kapitän mir befiehlt, einen Besen anzufassen und das Deck abzufegen? Was bedeutet diese Würdelosigkeit an dem Maßstab des Neuen Testamentes gemessen? Glaubst du etwa, daß der Erzengel Gabriel eine geringere Meinung von mir hat, weil ich dem alten Knacker auf der Stelle und ehrerbietig gehorcht habe? Wer ist kein Sklave? Nenne mir einen! Nun, was die alten Kapitäne mir auch befehlen mögen, wie sehr sie mich auch knuffen und zurechtstauchen, ich weiß, daß alles seinen Sinn hat. Ich weiß, daß jeder auf die eine oder die andere Weise vom physischen oder vom metaphysischen Standpunkte aus den gleichen Dienst leisten muß und daß der Knuff im Weltall weitergegeben wird. Alle sollten sich daher gegenseitig die Schulter reiben und den Mund halten! Wenn ich Matrose werde, so geschieht es, weil ich für meine Mühe bezahlt werde. Hast du schon mal gehört, daß man Passagieren einen Pfennig gibt, im Gegenteil, Passagiere haben zu zahlen. Das ist es ja gerade, ob man zahlt oder bezahlt wird. Und das Zahlen ist das peinlichste, was uns die beiden Apfeldiebe aus dem Paradiese eingebrockt haben! Aber das Bezahltwerden ist ein vornehmes und wundervolles Gefühl. Besonders wenn man bedenkt, daß das Geld die Wurzel allen Übels ist und kein Reicher in das Himmelreich kommt.

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