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1. Teil, 2. Kapitel - Prinz Harry. Heiratsgedanken.
Warwara Petrowna and Darja Pawlowna.
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WARWARA: Warte, schweig! Keine Überstürzung! Du hast zwar meinem Testament zufolge eine Summe Geldes zu erhalten, aber was soll aus dir werden, selbst wenn du Geld hast, wenn ich sterbe? Man wird dich betrügen und dir das Geld abnehmen, und dann bist du verloren. Heiratest du ihn aber, so bist du die Frau eines berühmten Mannes. Nun, betrachte die Sache einmal von der andern Seite: wenn ich jetzt sterbe, was wird dann aus ihm werden, selbst wenn ich seine Zukunft in materieller Hinsicht gewissermaßen sicherstelle? Auf dich aber kann ich schon meine Hoffnung setzen. Halt, ich bin noch nicht zu Ende: er ist leichtsinnig, willensschwach, mitunter grausam, selbstsüchtig, hat nichtswürdige Gewohnheiten, aber du mußt ihn dennoch schätzen, allein schon deswegen, weil es noch weit schlechtere Männer gibt. Du denkst doch nicht etwa, daß ich dich einfach loswerden möchte und dich irgendeinem Lumpen zur Frau gäbe? Und du wirst ihn schätzen! Hauptsächlich schon deshalb, weil ich dich darum bitte,verstehst du? Sei doch nicht so starrsinnig! [...] Er ist ein Waschlappen, aber um so besser für dich. Er ist übrigens ein ganz kläglicher Waschlappen und verdient es gar nicht, von einer Frau geliebt zu werden. Aber man kann ihn seiner Hilflosigkeit wegen lieb haben, also liebe du ihn deshalb. Du verstehst mich doch, nicht wahr? [...] Das dachte ich mir und habe nichts anderes von dir erwartet. Er wird dich lieben, weil er muß. Er muß einfach! Er muß dich vergöttern!« kreischte Warwara Petrowna in besonders gereiztem Ton. »Und übrigens wird er sich auch ohne es zu müssen in dich verlieben; ich kenne ihn ja. Außerdem werde ich selbst nach dem Rechten sehen. Sei unbesorgt: ich werde mich stets bereit halten. Er wird anfangen, sich über dich zu beklagen, dich zu verleumden, dem ersten besten etwas über dich ins Ohr zu flüstern, er wird immer schwermütig sein, wird immer wimmern; er wird dir Briefe schreiben von einem Zimmer nach dem andern, sogar zwei Stück an einem Tag, und wird doch nicht ohne dich leben können, und das ist die Hauptsache. Bringe ihn so weit, daß er dir gehorcht; gelingt es dir nicht, dann bist du dumm. Er wird dir drohen, daß er sich aufhängen wird, glaube ihm nicht: es ist dummes Zeug! Glaube ihm nicht, aber passe dennoch gut auf, alle Stunden sind nicht gleich, am Ende kriegt er es doch noch fertig und hängt sich auf; das kommt bei solchen Menschen nicht selten vor; nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche nehmen sie sich das Leben; treibe ihn deshalb nie bis zum äußersten – da hast du das allererste Gesetz der Ehe. Vergiß auch nicht, daß er ein Dichter ist. Höre, Darja: es gibt kein höheres Glück, als sich selbst zu opfern. Und außerdem tust du mir damit einen großen Gefallen, und das ist die Hauptsache. Du darfst nicht denken, daß ich etwa aus Dummheit törichtes Zeug zusammenrede; ich weiß sehr wohl, was ich sage. Ich bin selbstisch; sei du es auch! Ich zwinge dich ja nicht; alles liegt in deiner Macht; wie du sagst, so wird es geschehen. Warum sitzt du denn so da? Sag doch endlich etwas!