MEISTER STABERL in «Die Bürger in Wien» II.

    1. Akt, 5. Szene 

    Meister Staberl und der bürgerlicher Bindermeister Josef Redlich. 

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    MEISTER STABERL: Nu, viel und wenig, wie man's nimmt; wenn ich nur was davon hätt! – Da war ich grad drüben bei der Kässtecherin, die hat ihrem Zimmerherrn ihr Parapluie geliehen, und der hat ihr dafür einen ordentlichen Riß hinein gemacht; schauen Sie nur her! Er zeigt ihm ein häßlich zerrissenes Parapluie. Weil halt ein so junger Mensch nicht achtgibt, und daß ich kurz bin – lang bin ich so nicht –, so hat sie mir's mit'geben zum Flicken. – Da steht ein galanter Herr, der red't von kuriosen Sachen. – Sie werden den Herrn wahrscheinlich kennen, die Kässtecherin versichert mich, er hätt zwar nicht das Pulver, aber den Haarpuder erfunden! Ich bleib bescheiden rückwärts stehen und hör, wie der galante Herr sagt: daß Warschau und Potsdam durch den Neustädter Kanal miteinander verbunden, Konstantinopel mit der Pforte vereinigt und Moskau nach Rußland verlegt werden soll. – Ich verschlinge diese Neuigkeiten als ein echter Patriot und rühr mich nicht. Nun erzählt er, daß die Algierer endlich die Seeräuber geschlagen haben und das Mittelländische Meer abermals die Dardanellen passiert hätte. Ich laß nur einen kurzen Atem von mir. Der galante Herr bemerkt mich, schaut sich um. Aber Musjö Redlich, jetzt war es auch aus mit der Geschichte; wer schnell abgebrochen hatte, war mein galanter Herr, nur noch verblümt hat er sich hören lassen. »Ja, ja«, fangt er an, »so ist es, liebe Frau Kässtecherin, auf das, was ich Ihnen gesagt habe, hat sich nichts weiter ereignet, als daß meine Wäscherin schon in der dritten Woche mir hat meine zwei linken Fußsäckel ausgelassen und hat mir zwei rechte dafür gebracht und daß dieser Umstand der letzte sein wird, der die gegenwärtigen Begebenheiten leitet.« Versteh's, hab ich mir g'denkt, der Staberl ist kein Stock, nun wart, galanter Herr, du sollst mich gleich venerieren. Ich tret geschwind vor und sag: »Sie reden meinetwegen verblümt? Nehmen plötzlich in den Kriegsaffären von den Seeräubern Ihre Zuflucht zu einer Wäscherin und zwei Fußsäckeln? Auch diesen Absprung kenn ich gut: Sie haben von Moskau gesprochen, haben Warschau und Potsdam berührt, Sie haben auf den Neustädter Kanal gestichelt und die Algierer tuschiert – ich weiß nun gut, was Sie sagen wollen. Ich soll den Ausgang der Begebenheiten nicht verstehen? – Aber Staberl weiß alles. Ihre Strumpfsäckel, die Ihnen schon zweimal ausgelassen wurden, bedeuten nichts als zwei unterschlagene Depeschen; die Wäscherin stellt die Kriegserklärung vor – die Feinde werden gewaschen, das Linke wird mit dem Rechten verwechselt, und das Fazit ist da.« – Herr Redlich, jetzt war es aus. – Er schaut mich an, ich schau ihn an – die Kässtecherin schaut uns alle zwei an; wir schauen die Kässtecherin an; der galante Herr schmunzelt; ich schmunzl auch; drauf lacht er laut; ich lach sehr laut – er macht ein politisches Gesicht, ich ein diplomatisches! Endlich schaut er auf die Uhr und sagt: »Sie Philosoph – Sie Sterngucker, Sie Hexenmeister oder wie ich Sie nennen soll! Wo haben Sie das her? Wer sind Sie? Wie heißen Sie? In welchem Kabinett arbeiten Sie?« Ich sag gelassen alles heraus, nenn meinen Tauf- und Zunamen, wer mein Vater war und meine Mutter – und als ich daraufkam, daß ich in keinem Kabinett arbeit, sondern in meinem Bodenzimmer im vierten Stock, da wollt er gar nicht mehr zu sich kommen. Gebogen, gebeutelt und geschauert hat es ihn vor lauter Bewunderung. Die Kässtecherin hat mir nur g'wunken, ich soll gehn, weil er gewiß umg'schnappt wär vor lauter Lachen.

     

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