MEISTER STABERL in «Die Bürger in Wien» I.

    1. Akt, 5. Szene 

    Meister Staberl und der bürgerlicher Bindermeister Josef Redlich. 

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    MEISTER STABERL: Gehorsamer Diener, Herr Redlich, g'horsamer Diener! Nu, was gibt's Neues, weil ich grad so vorbeispring. Hört man nichts von einem Krieg? Mir ist die Zeit völlig lang vor lauter Frieden. Ich höre, wir werden gegen die Kalmukesen marschieren – mir wär's recht; wenn ich nur was davon hätt. [...] Ei! Ich bin kein Narr, o nein, ich bin g'scheit, überall red't man von dem g'scheiten Staberl, weit und breit werd ich gesucht, um meine politischen Meinungen von mir zu geben. Der Bratelbrater da drüben sagt, ich hätte Studieren sollen und ein Redner im englischen Parlament werden, wegen meinem schönen Vortrag und der Flüssigkeit meiner Sprache, ich hätte durch meine Gedanken die Menschen beschirmen können. Mein Vater hat aber dies nicht eingesehen und hat mich zur Flüssigkeit des Himmels auf erzogen, da beschirm ich denn auch die Menschheit, aber bloß mit meinen Parapluies! [...] So? Ja, um ein Jahrhundert bin ich vorausgeruckt; ich kenn alles, versteh alles, begreif alles, beurteil alles, wenn ich nur was davon hätte. Hochdeutsch und mit Beziehung. Andere Leute sind um fünfzig Jahre hinter mir – oder hab ich nicht alles vorausgesagt, was wir seit zwanzig Jahren erlebt haben? Den ganzen Siegesgang von Kulm bis Paris, den Leipziger Befreiungstag, den Majoratsherrn von allen Siegen, die wir gehabt haben? Weiß ich nicht, daß London überm Meer liegt und daß Stockholm und Stockerau zweierlei sind? Hat nicht in jedem Krieg mein Herz geblutet,[4] wenn auch sonst mein Blut ganz ruhig geblieben ist? O mein bester Herr Redlich, es wäre einmal die höchste Zeit, daß meine Verdienste vergolten würden – daß es einmal einen Krieg gäbe, wo man sich mit meinen Parapluies vor dem Kugelregen schützen könnte – den wollt ich loben. Warum? Weil ich was davon hätte! Aber so, wie es jetzt immer war, sind mir die besten Kundschaften ohne Händ zurück'kommen; wenn das so fortging, würd ich ein aufgelegter Bettler; nun ja, wenn ein Mensch keine Händ mehr hat, mit was soll er denn ein Parapluie halten; man müßt es nur auf der Nasen balancieren, und das kann nicht ein jeder.

     

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