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2. Akt, 2. Auftritt
Luzifer und Cain
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LUCIFER:
Nein! nein! beim Himmel, den
Er hält! beim Abgrund! der Unendlichkeit
Der Welten und des Lebens, die mit Ihm
Ich halte – Nein! Er ist mein Sieger wol,
Jedoch mein Ob'rer nicht. Ich kämpfe gegen Ihn,
Wie ich im höchsten Himmel einst gekämpft.
Durch alle Ewigkeit und durch des Hades
Unmeßbar tiefe Schlünde hin, und durch
Des Raumes unbegrenzte Reiche fort,
Durch die Unendlichkeit endloser Zeit –
Will Alles ich Ihm streitig machen, Alles!
Welt soll um Welt, und Stern um Stern, und All
Um All erzittern in der Wage, bis
Der große Kampf zu End', wenn je er endet;
Was nicht geschieht, bis Er, bis ich dahin!
Was aber kann Unsterblichkeit vernichten?
Was unsern ew'gen, gegenseit'gen Groll?
Als Sieger nennt Er den Besiegten bös,
Was aber ist das Gute, das Er gibt?
Wär' ich der Sieger, gälten seine Werke
Allein für bös. Was war es denn, ihr neu
Und kaum gebornen Sterblichen, was Er
Euch schon und eurer kleinen Welt geschenkt?
CAIN:
Nicht viel, und manches Bittre nur.
LUCIFER:
So komm
Mit mir zu deiner Erd' zurück und schmecke
Die übrigen von seinen Himmelsgaben.
Gut, bös ist, was es ist, im Wesen schon
Und wird nicht erst durch seinen Geber so.
Wenn Er euch Gutes thut, so preist Ihn drum,
Wenn aber Böses von Ihm kommt, so heißt
Es mein Werk nicht, bis ihr den wahren Quell
Entdeckt. Urtheilt nach Worten nicht, selbst nicht
Nach Geisterwort! Nein! nach den Früchten nur,
Die euer Dasein, wie es sein muß, trägt.
Ein Gut hat jener schlimme Apfel euch
Gebracht: Vernunft! Laßt durch tyrannisch Drohn
Sie nie beherrschen, und euch selber nie
In einen Glauben zwingen, gegen den
Der äußre Sinn, das innre Fühlen sich
Empört. Denkt und ertragt, und bildet euch
In eurem Innern eine Welt, wenn euch
Die äußre nicht genügt. So werdet ihr
Der geistigen Natur euch nähern und
Die eigene bekämpfen mit Erfolg.
(Sie verschwinden.)