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1. Akt, 1. Auftritt
Alceste und Philinte.
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ALCESTE:
Die Menschen hass ich, alle – insgesamt:
Die einen, weil sie falsch und ränkevoll,
Die andern, weil sie Falschheit höflich dulden,
Statt sie zu geißeln mit dem tapfern Groll,
Den sie der Tugend und sich selber schulden.
Hilft dies Vertuscheln nicht sogar zum Siege
Dem Schuft, mit dem ich im Prozesse liege?
Man kennt die Maske, die er umgehangen,
Man kennt ihn als den schändlichsten Kujon;
Sein Augenspiel, sein zuckersüßer Ton
Vermögen nur noch Bauern einzufangen.
Man weiß, daß nur durch Bubenstücke
Der Leisetreter es so weit gebracht,
Weiß, daß der Glanz von seinem Glücke
Verdienst entrüstet, Tugend schamrot macht.
Trotz allen Titeln, die er sich erworben,
Gibt's niemand, der für seine Ehre ficht;
Nennt man ihn ruchlos, diebisch und verdorben,
Stimmt jeder ein und keiner widerspricht.
Und doch ist seine Fratze stets willkommen,
Ist er in allen Häusern aufgenommen,
Und wo ein Amt zum Wettbewerb gestellt,
Schlägt er die besten aus dem Feld.
Zum Henker auch, ich kann's nicht überstehn,
Wie sie mit Schonung die Verruchtheit züchten,
Und manchmal möcht' ich in die Wüste flüchten,
Um keines Menschen Antlitz mehr zu sehn.





