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3. Akt, 3. Szene
Claudius allein.
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CLAUDIUS:
O meine That ist faul, sie stinkt zum Himmel,
Sie trägt den ersten, ältesten der Flüche,
Mord eines Bruders! – Beten kann ich nicht,
Ist gleich die Neigung dringend wie der Wille:
Die stärkre Schuld besiegt den starken Vorsatz,
Und wie ein Mann, dem zwei Geschäft’ obliegen,
Steh’ ich in Zweifel, was ich erst soll thun,
Und lasse beides. Wie? wär’ diese Hand
Auch um und um in Bruderblut getaucht:
Gibt es nicht Regen gnug im milden Himmel,
Sie weiß wie Schnee zu waschen? Wozu dient
Die Gnad’, als vor der Sünde Stirn zu treten?
Und hat Gebet nicht die zwiefache Kraft
Dem Falle vorzubeugen und Verzeihung
Gefall’nen auszuwirken? Gut, ich will
Emporschaun: mein Verbrechen ist geschehn.
Doch o, welch eine Wendung des Gebets
Ziemt meinem Fall? Vergib mir meinen schnöden Mord?
Dies kann nicht sein; mir bleibt ja stets noch alles,
Was mich zum Mord getrieben: meine Krone,
Mein eigner Ehrgeiz, meine Königin.
Wird da verziehn, wo Missethat besteht?
In den verderbten Strömen dieser Welt
Kann die vergold’te Hand der Missethat
Das Recht wegstoßen, und ein schnöder Beutel
Erkauft oft das Gesetz. Nicht so dort oben!
Da gilt kein Kunstgriff, da erscheint die Handlung
In ihrer wahren Art, und wir sind selbst
Genötigt, unsern Fehlern in die Zähne
Ein Zeugnis abzulegen. Nun? was bleibt?
Sehn, was die Reue kann. Was kann sie nicht?
Doch wenn man nicht bereuen kann, was kann sie?
O Jammerstand? O Busen, schwarz wie Tod!
O Seele, die sich frei zu machen ringend,
Noch mehr verstrickt wird. – Engel, helft! versucht!
Beugt euch, ihr starren Knie’! gestähltes Herz,
Sei weich wie Sehnen neugeborner Kinder!
Vielleicht wird alles gut.
(Kniet vorn auf der Bühne nieder.)