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3. Teil, 1. Aufzug, 4. Szene
York, Königin Margaret, Clifford und Northumberland.
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YORK:
Wölfin von Frankreich, reißender als Wölfe,
Von Zunge gift'ger als der Natter Zahn!
Wie übel ziemt es sich für dein Geschlecht,
Daß du, wie eine Amazonen-Trulle
Frohlockst beim Weh dess', den das Glück gebunden!
Wär' dein Gesicht nicht wandellos wie Larven,
Durch böser Thaten Uebung frech geworden,
So wollt' ich suchen, stolze Königin,
Erröten dich zu machen; denn dir sagen,
Woher du kamst, von wem du abgestammt,
Wär' gnug dich zu beschämen, wärst du nicht schamlos.
Dein Vater heißt von Napel und von beiden
Sizilien König, und Jerusalem:
Doch reicher ist ein Bürgersmann in England.
Hat trotzen dich der arme Fürst gelehrt?
Es kann nichts helfen, stolze Königin,
Als daß das Sprichwort sich bewährt: der Bettler,
Der Ritter worden, jagt sein Pferd zu Tod.
Die Schönheit ist's, was stolz die Weiber macht:
Allein Gott weiß, dein Teil daran ist klein;
Die Tugend ist's, warum man sie bewundert:
Das Gegenteil macht über dich erstaunen;
Die Sittsamkeit läßt göttlich sie erscheinen:
Und daß sie ganz dir fehlt, macht dich abscheulich.
Du bist von allem Guten so getrennt,
Wie es von uns die Antipoden sind,
Und wie der Mittag von der Mitternacht.
O Tigerherz, in Weiberhaut gesteckt!
Du fingst des Kindes Herzblut auf, und hießest
Den Vater sich damit die Augen trocknen,
Und trägst noch eines Weibes Angesicht?
Weiber sind sanft, mild, mitleidsvoll und biegsam:
Du starr, verstockt, rauh, kieselhart, gefühllos.
Ich sollte rasen? Ja, dir ist's gewährt.
Ich sollte weinen? Ja, du hast's erreicht.
Denn Schauer stürmt der wüste Wind herbei
Und, wenn der Sturm sich legt, beginnt der Regen.
Die Totenfeier meines holden Rutlands
Sind diese Thränen; jeder Tropfe schreit
Für seinen Tod um Rache wider euch,
Grausamer Clifford! tückische Französin!