Seite 2 von 5
2. Akt, 5. Auftritt
Athalia, Mathan und Abner
Buch kaufen
ATHALIA:
Leiht Beide mir ein aufmerksames Ohr!
Ich will hier des Vergangnen nicht gedenken,
Noch Rechenschaft euch geben ob des Bluts,
Das ich vergoß. Was ich gethan, das glaubte
Ich, Abner, thun zu müssen. Nimmermehr
Nehm' ich dies übermüth'ge Volk zum Richter,
Wie's sein Geschrei auch gegen mich erhebt;
Vom Himmel selber hab' ich dies mein Recht,
Und meine Macht, auf glänzende Erfolge
Gestützt, dehnt über zweier Meere Strand
Sich aus. Durch mich genießt Jerusalem
Des tiefsten Friedens; nicht mehr sieht der Jordan
Den schweifenden Araber und den stolzen
Philister wie zu eurer Kön'ge Zeit
Sein Ufer ewig plündern und verheeren;
Der Syrer nennt mich Schwester, Königin,
Und selbst der stolze Jehu, der Verräther,
Der Unterdrücker meines Stammes, der
In seiner Wildheit mich sogar bekämpfte,
Er zittert vor mir in Samaria;
Durch mächt'ge Nachbarn, die ich gegen ihn
Zu hetzen wußte, überall bedrängt,
Läßt er mich hier im Land als Herrin walten.
Bis jetzt genoß ich ungestört die Frucht
Von meiner Klugheit; doch seit ein'ger Zeit
Belastet ein geheimes Bangen mir
Das Herz und stört die Ruhe meiner Tage.
Ein Traum, um den ich mich nicht kümmern sollte,
Hält meine Sorge immer nagend wach.
Ich suche überall ihr zu entfliehn,
Sie aber folgt stets meinen Tritten nach. –
Es war im Dunkel einer tiefen Nacht,
Da tauchte meiner Mutter Bild vor mir
Empor, gehüllt wie einst am Todestage
In prächt'gen Schmuck. Ihr Unglück hatte nicht
Den edlen Stolz gebeugt, sie trug sogar
Noch den entlehnten Glanz, womit sie sich
Das Angesicht zu schmücken pflegte, um
Des hohen Alters Spuren zu verwischen.
»Erzittre«, sprach sie, »meiner würd'ge Tochter!
Der Juden strenger Gott bezwingt auch dich.
Ach! wie beklag' ich dich, geliebtes Kind,
Daß du in seine Hände fällst.« Kaum war
Das grause Wort gesprochen, da schien plötzlich
Das Schattenbild sich über meinen Pfühl
Zu neigen; ich, sie zu umfassen, streckte
Die Arme aus, doch fand ich dort, o Gott!
Nichts als ein scheußliches Gemisch von Knochen
Und Fleisch, zerhackt und durch den Koth
Geschleift, von blut'gen Fetzen und Gebeinen,
Um die der Hunde Meute gierig kämpfte.
[...] Bei diesem Schreckniß zeigte
Ein Knab' in strahlendem Gewand sich mir,
Wie man's bei der Hebräer Priestern sieht;
Sein Anblick weckte den erstarrten Geist,
Doch hatt' ich kaum mich von dem Schreck erholt
Und das bescheidne, holde Kind bewundert,
Da fühl' ich einen mörderischen Stahl,
Den in die Brust mir der Verräther tauchte.
Dir mag dies unbegreifliche Gemisch
So vieler Ding' ein Werk des Zufalls scheinen,
Ich habe selber, meiner Furcht mich schämend,
Es für ein Wahngebilde angesehn;
Doch zweimal kam im Traume die Erscheinung
Zurück, und zweimal sah ich jenes Kind,
Wie's Miene macht', das Herz mir zu durchbohren.
Von all dem Schrecken ganz erschöpft, lenkt' ich,
Indem ich Ruhe suchte am Altar,
Mein Flehn zum Baal, er möge mich bewahren,
Denn Angst vermag ja viel ob unsrem Geist. –
Ein dunkler Drang trieb mich in diesen Tempel,
Den Gott der Juden dacht' ich zu versöhnen;
Ich glaubt', es würde dieser Gott, wer er
Auch sei, durch Gaben sich besänft'gen lassen –
Du, Priester Baals, verzeih' mir diese Schwäche! –
Ich tret' hinein, das Volk entflieht, man stellt
Die Opfer ein, und wüthend tritt zu mir
Der Hohepriester. Als der zu mir spricht,
O staunenswerthes Wunder, seh' ich wieder
Denselben Knaben mich bedrohn, wie er
Im Traume dort sich meinem Geist gezeigt:
Dieselbe Miene war's, dasselbe Kleid,
Der Blick, der Gang, die Züge ganz dieselben.
Er war's, und neben ihm der Hohepriester;
Doch meinem Blick entzog man ihn sogleich.
Das ist es, was mit Sorge mich erfüllt'
Und hierher trieb, warum ich euch befrage.
Was, meint ihr, kündet dies unglaubliche
Ereigniß? Mathan, sprich dich drüber aus.