Zum Inhalt: Was ist hier aus dem Lot geraten? Warum schauen mich die Leute in der Bahn auf meinem Weg zur Arbeit so schief von der Seite an? Was ist geschehen, seitdem die Welt zum global village wurde und sich schleichend das Gefühl in mir breitmachte, ich könnte den Anschluss verlieren, dann meinen Job samt meinen Freunden, samt sozialem Ruf? Ein diffuser, nicht ganz fassbarer Grauschleier der Angst und Paranoia entsteht aus einem Gespräch von Stimmen: Gehe ich jetzt mit meiner Erschöpfung nach Hause zum Internet-Shoppen oder google ich lieber gleich die nächste ärztliche Konsultationsstelle? „Ich bin ein Gewaltakt wie ich über die Straße gehe, JEDER kann es sehen.“ Viele Ichs geistern durch einen vielfach gebrochenen Gesellschaftszustand, suchen ihren Sinn, ihre Realitäten, ihr Zuhause, ihre Fronten, rangeln darum, stattfinden zu dürfen. Sie werfen Schlaglichter auf Diskursfronten und Ängste einer Gesellschaft. Am Ende fragen sie sich, wer in ihrer Zusammenkunft eigentlich die Regeln gemacht hat. Wer führt den Diskurs? Welche Normen formen uns in unserem alltäglichen Zusammensein, wer hat die Deutungshoheit über die Normen? Wer bestimmt sie und wann werden sie problematisch?
Regie: Katrin Plötner Bühne: Anna Brandstätter Kostüme: Johanna Hlawica Musik: Constantin John Dramaturgie: Benjamin Große Licht: Thomas Kalz Theaterpädagogische Betreuung: Babette Büchele
''Eine Gruppe von Ärzt*innen hockt auf einem mächtigen Felsen, der atmet und lebendig scheint. Ein Gesellschaftskörper, bestehend aus verschiedenen Gruppen und Stimmen, die durchhecheln, „woraus ein Staat gemacht ist“. Ein verloren gegangener Chor und die Mütter von „Marius“ und „Kevin“ wiegen das kränkelnde „Staatsbaby“ in ihren Armen. Das einzelne Individuum fühlt sich dabei von der Menge beobachtet und muss sich immer wieder mit ihr vergleichen und sich anpassen. Dabei entstehen Wunden. Die Kunst der Wunde ist ein Wortspiel auf „Die Gunst der Stunde“, das Ausbeuten auch der privaten Verletzungen des Individuums. So sagt es zumindest die Autorin über ihren recht unbestimmten, vielstimmigen Fließtext, in dem verschiedene sogenannte Sprechinstanzen auftreten. Sie bezeichnet das auch als „internetösen Hallraum“, in dem sich eine absturzgefährdete Mittelschicht unter einem immensen finanziellen und Repräsentationsdruck behaupten muss.
Das klingt zunächst etwas kompliziert und ist auch nur mit entsprechender Dramaturgen- Gebrauchsanweisung zu verstehen. Uraufführungs-Regisseurin Katrin Plötner schert sich nicht viel darum und steckt ihre fünf DarstellerInnen (Anne Cathrin Buhtz, Denis Grafe, Eidin Jalali, Dirk Lange, Katharina Schmidt) in eine von Anna Brandstätter gebaute Hüpfburg. Passend zur Angst und Paranoia der Sprechenden könnte das aber auch eine Gummizelle sein. Man kann in ihren Spalten verschwinden, sich rein- und rauszwängen und ein paar Turnübungen zur Belustigung des Publikums machen, was das textliche Ungetüm etwas auflockert. Und irgendwann ist auch mal die Luft raus.'' schreibt Stefan Bock am 3. Mai 2022 auf KULTURA-EXTRA