Bewertung und Kritik zu
VENDETTA VENDETTA
von Thomas Köck
Premiere: 12. Februar 2022
Schauspiel Leipzig
Zum Inhalt: Es gibt viele Spielarten der Rache: gefühlte Rache, gedachte Rache, geplante Rache, kollektive Rache, digitale Rache. Gesungene Rache gibt es auch. Seit versucht wird, die Rache aus dem direkten Miteinander auszuklammern, lebt sie umso stärker in der Kunst und in der Oper weiter. Berühmtestes Beispiel vielleicht: die Arie „Der Hölle Rache“ aus Mozarts „Zauberflöte“. Wie oft aber singt ein Chor von der Rache? In „vendetta vendetta“ wird er es tun.
Rache ist als Gefühl vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Immer wieder wurde versucht, die Rache zu ersetzen durch ein neues System des Rechts. Aber deswegen war die Rache nicht unbedingt verschwunden, ab dann war sie höchstens verdrängt. Was ist da passiert? Und welchen Platz hat sie heute in der Gesellschaft? Oder besser gefragt: Wo ist ihr Platz heute? Und wie geht es uns so, in einem Leben mit ohne Rache?
Verändert haben sich über die Jahrhunderte nicht nur Gesellschaften und deren Normen, sondern auch die Formen, Emotionen auszudrücken oder einzuhegen. Emotionen über die Musik auszuleben und in ihr zu erleben, gehört dabei zu den Ur-Techniken von Gesellschaft, genauso wie Formen des Ritus oder der Religion.
Eine parallele Geschichte des Rechts trifft in „vendetta vendetta“ auf eine parallele Geschichte der Polyphonie. Der Chor singt an gegen die Vereinzelung, aber auch: gegen die Gleichmacherei. Das gemeinsame Singen als „simultane Andersartigkeit“ und doch auch: als Abhängigkeit voneinander.
Und weil es sich mit der Geschichte verhält wie mit der Musik, liegt die Wahrheit nicht in der linearen Abfolge von Fakten (Tönen), sondern in der parallelen Bewegung ebendieser: Viele Geschichten, viele Melodien, die nicht ohneeinander erzählt werden können.
Mit: Amal Keller, Dirk Lange, Denis Petković Tina Bolle, Sabine Brückner, Jennifer Demmel, Noa Flach, Anne Kerlin, Katharina Nürnberger, Carmen Orschinski, Robin Heleen Rauhut, Uta Sander als Chor
Inszenierung & Choreinstudierung: Thomas Köck
Musik & Choreinstudierung: Andreas Spechtl
Bühne und Kostüme: Martin Miotk
Dramaturgie: Torsten Buß, Matthias Döpke
Video: Kai Schadeberg
Licht: Jörn Langkabel