Bewertung und Kritik zu
VATER
von Florian Zeller
Regie: Tilo Krügel
Premiere: 3. Juli 2021
Schauspiel Leipzig
Zum Inhalt: Witwer André und seine erwachsene Tochter Anne leben in Paris. Anne will zu ihrem Freund Pierre nach London ziehen, doch ihr sonst immer souveräner Vater wirkt zunehmend verunsichert. Dinge und Menschen verschwinden, seine innere Uhr lässt ihn im Stich, sein Heim wird ihm fremd. Eine Haushaltshilfe lehnt er ab und vermutet ein Komplott: Anne versucht, ihn aus seiner Wohnung zu ekeln. Und dann ist da noch Elise, seine andere Tochter.
Florian Zellers raffiniert strukturierter Text über das Demenz-Schicksal eines Vaters und das Abschiednehmen zwischen ihm und seiner Tochter schafft es, Verwirrung und Hilflosigkeit durch scheinbar plötzlich abbrechende und verschobene Gedankengänge nachfühlbar zu machen. Wie verlässlich kann die eigene Erinnerung überhaupt sein? Fokussiert wird in diesem Stück die Innenansicht einer auf ein Minimum reduzierten Kernfamilie mit ihren emotionalen Abhängigkeiten und latenten Konflikten im Angesicht unvermeidlicher Veränderungen. Wie sollen die sowieso schon stark beanspruchten persönlichen Ressourcen verteilt werden? Welches Maß an Fürsorge lässt sich noch einfordern oder leisten, wenn Ortswechsel aus privaten oder beruflichen Gründen immer selbstverständlicher scheinen? Ein Spiel zwischen Selbstbehauptung und widerwilliger Fügung, Hingabe, Frust, Heiterkeit und absurd komischen Momenten. Eine Projektionsfläche für drängende Fragen und Ängste einer Gesellschaft mit stetig steigender Lebenserwartung.
Regie: Tilo Krügel
Bühne und Kostüme: Agathe MacQueen
Video: Kai Schadeberg
Sound: Alexander Nemitz
Licht: Sebastian Elster
Dramaturgie: Matthias Döpke
Theaterpädagogische Betreuung: Babette Büchele