Zum Inhalt: Es ist 1937 und die Hitlerjugend marschiert durch Köln. Im gleichen Jahr veröffentlicht Horváth seinen Roman JUGEND OHNE GOTT, der direkt nach dem Erscheinen verboten wird. Tina Müller versetzt den Text in unsere Gegenwart, in Zeiten von Hetze, Hass und Hanau, und erzählt ihn aus der Perspektive der Jugendlichen. Sie stehen mit ihren Ängsten, Erwartungen und Widersprüchen im Mittelpunkt. Die Kriminalhandlung: Eine Klasse. Ein Lehrer. Ein Zeltlager. Ein Mord. Das Böse dazwischen. Aber wer ist schuld? Und wo bleibt Gott? An den Anforderungen des auf Leistung und Funktionieren ausgelegten Systems, arbeiten sich die Jugendlichen und der Lehrer gleichermaßen ab. Kann es Hoffnung geben?
Mit: Krishna Adelberger, Artosha Jasmin Mokthare, Hanna Nagy, Erenay Gül, Justin Herlth, Dorota Lewandowska, Nihad Mustafa Ali, Ceren Sengülen, Sabri Spahija, Ruben Chwilkowski, Sara Malang und Felix Zimmermann vom IMPORT EXPORT KOLLEKTIV
Regie: Bassam Ghazi Choreografie: Judith Niggehoff Bühne: Sebastian Bolz Kostüm: Elise Sophia Richter Licht: Michael Frank Dramaturgie: Stawrula Panagiotaki
''N (Hanna Nagy) reicht beim Lehrer einen Aufsatz mit rassistischen Äußerungen ein. Artosha Jasmin Mokhtare lockt in der Rolle des herumstreichenden Mädchens Eva den verführbaren Erenay Gül als Z mit kraftvoll-verführerischem Gesang. Justin Herlth bläut den Eleven als Schulleiter und später in der Rolle eines Feldwebels furchteinflößend Zucht und Ordnung ein, macht dabei jedoch ausdrucksstark auch dem Lehrer Angst und Bange. Der wohl jüngste Akteur Ruben Chwilkowski spricht als W gegen Ende einen berührenden Epilog auf das Leben: Auch wenn er den ganzen Tag vorm Computer Minecraft zocke, wünsche er sich insgeheim doch, dass ihm andere einen Weg in die Welt zeigen. Dabei öffnet er das schwere Seitentor zur Bühne und tritt nach draußen. Abendlicht fällt auf die Spielfläche. Ein Ruhepunkt nach dem hitzigen und aufwühlenden Geschehen.
Das IMPORT EXPORT KOLLEKTIV zeigte zuletzt Aldous Huxleys Dystopie-Klassiker Schöne, neue Welt und aktualisiert den Stoff durch Einbezug der Lebenswelten und möglicher Selbstreflexionen der jungen Akteure. Ein Coup, die letzten Produktionen der diversen Initiative des Kölner Schauspiel unter der Leitung des libanesischen Theatermachers Bassam Ghazi waren meist auserkauft, schon vor den Corona-Zuschauerbeschränkungen. Auch Ghazis Inszenierung von Jugend ohne Gott begeistert durch erfrischende, in die Geschichte einbezogene Gedanken der jungen Darstellerinnen und Darsteller. Jugend ohne Gott ist ein temporeich durchchoreographierter Parforceritt mit kraftvollen Bildern, gelungenen Einbezügen der Jetztzeit und eindrücklichen Darstellerleistungen. Wer letztes Jahr Dominic Friedels eher düstere Bonner Inszenierung gesehen hat, könnte meinen, er habe in einem anderen Stück gesessen, da Bassam Ghazi die Geschichte nach einer Neuadaptation der Schweizerin Tina Müller freier und auch ästhetisch anders, aber mindestens ebenso spannend umsetzt.'' schreibt Ansgar Skoda am 25. Oktober 2020 auf KULTURA-EXTRA