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Operette

Bewertung und Kritik zu

OPERETTE
Text: Witold Gombrowicz - Musik: Thorsten Drücker
Regie: Philipp Rosendahl 
Premiere: 19. Januar 2019 
Staatstheater Kassel

Zum Inhalt: »Offenbach, biatch, I love you«, hätte Witold Gombrowicz sagen können. Hat er aber nicht. Stattdessen komponierte er eine Operette mit dem Titel »Operette«, genauer: er lieferte eine Partitur aus Worten, die nach Operette klingen. Denn er liebte die Operette an sich, als die Feier der Schönheit idiotischer Symbole; nirgends sei der Mensch, das eitle Vieh, so sehr bei sich wie in einer Operette. Als er das hier mitten in die Revolten der 1960er Jahre dichtete, hatte sich die klassische Operette irgendwie erledigt: womöglich hatte der Faschismus und seine fatale Kombination aus Gewalt, Schönheit und Idiotie sie einfach überflüssig gemacht. Heute aber, im Zeitalter von instagram-influencer-superstar-blingbling: haben wir die Operette totalitär nötig. Heute, wo sich alles der Diktatur der Mode unterwirft und unser großes Projekt lautet, glücklich und schön und perfekt zu sein, und sei es für die Länge einer erigierten Selfie-Stange: Biatches, it's operette, it's porn!

Dazu schuf Thorsten Drücker die Komposition als absurden Gewaltritt durch die Höhen und Tiefen von HipHop (Trap), Rock, Pop, um den Abergombrowitz der Worte glänzen und klingen zu lassen – den Sound von Schloß Himalaj, dem wagnerschen Leitmotiv der »Stühlchen des Lord Blotton«, dem geschmeidigen Rap des Grafen Charme, der dem Albertinchen an die Wäsche will (wortwörtlich, denn hier gilt es als geil sich anzuziehen, nicht sich auszuziehen). Dieses Albertinchen aber, erst kaum mehr als eine Schaufensterpuppe für männliche Modefantasien, mutiert durch einen Unfall, durch eine seltsame unmittelbare Berührung eines Spitzbuben: die in dieser ganzen idiotischen, feinen, aufgemotzten Symbolwelt ihr etwas ganz Sensationelles schenkt – ein Gefühl von Körper. Und dieses Gefühl schwillt auf zu einem Sturm, der wie eine ökologische Katastrophe von nuklearem Ausmaß sie alle wegreißen wird: die Grafen, Prinzen, Generäle, kotzenden Professoren, Revoluzzer, Nazischergen – und was bleibt ist einzig dies... Nacktheit...

Inszenierung: Philipp Rosendahl
Musik: Thorsten Drücker
Bühne: Daniel Roskamp
Kostüme: Brigitte Schima
Choreografie: Volker Michl
Licht: Oskar Bosman
Dramaturgie: Thomaspeter Goergen
Video: Oskar Bosman, David Worm

TRAILER

3.0 von 5 Sterne
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Absurde Groteske mit irrwitziger musikalischer Untermalung
4 Jahre her.
Kritik
Dass die absurde Groteske von Witold Gombrowicz heute kaum noch gespielt wird, hat gute Gründe. Das liegt zum einen an den sehr skurrilen Karikaturen aus dem Adel, der sich im fiktiven Schloss Himalaj trifft und ironisch alle Klischees der Operettengattung bedient. Zum anderen liegt es daran, dass die „Operette“ sehr stark dem Zeitgeist der späten 1960er Jahre verhaftet ist. Interessant macht den 2,5stündigen Abend vor allem die Musik, die Thorsten Dücker zur Vorlage von Gombrowicz komponiert hat und die auf Spotify und iTunes abrufbar ist. Die musikalische Untermalung ist ein irrwitziges Spiel mit Stilen, der Komponist zitiert von Schlager über Barock und Pop bis HipHop und Rock alles, was ihm in den Sinn und in die Finger kommt, und verleiht dem grotesk-schrägen Abend damit den nötigen Charme. Komplette Kritik mit Bildern
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