Bewertung und Kritik zu
ÜBERMANN ODER DIE LIEBE KOMMT ZU BESUCH
von Christoph Marthaler nach Alfred Jarry
Regie: Christoph Marthaler
Premiere: 18. März 2018
Deutsches Schauspielhaus Hamburg
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Zum Inhalt: Doppeltitel, die mit einem ODER verbunden werden, sind ja leider keine Seltenheit. Was genau sie ausdrücken sollen, bleibt meist ein wenig nebulös. Zu unterstellen wäre, dass die Urheber Freude an mehreren Titelmöglichkeiten hatten und sich schlicht nicht entscheiden konnten. In Christoph Marthalers neuer Inszenierung jedoch verhält es sich ganz anders. ODER bedeutet hier tatsächlich ODER. Was wiederum die sieben auf der Bühne versammelten Damen dazu auffordert, eine unwiderrufliche Wahl zu treffen: ENTWEDER »Übermann« ODER »Die Liebe kommt zu Besuch«. Eine Prognose zum Wahlausgang erscheint in diesem Fall vergeblich. Denn während die erste Option den Auftritt eines Herrn in Aussicht stellt, der im wirklichen Leben den Namen Dschingis Khan trägt und als mongolischer Heerführer Verwüstungen historischen Ausmaßes zu verantworten hat, so erscheint im zweiten Fall der tatsächliche Besuch der Liebe schlicht unrealistisch. Vielleicht hilft bei der Entscheidungsfindung eine ebenfalls anwesende pataphysische Gottheit, die in der Nachfolge des französischen Schriftstellers Alfred Jarry (1873-1907) die „Wissenschaft von den imaginären Lösungen“ vorantreibt. Und da in der Pataphysik stets nur der ungewöhnliche Einzelfall untersucht wird, also genau das, was nicht allgemein gültig, sondern immer nur im Besonderen die Regel ist, könnte es durchaus sein, dass die Damen sich letztlich weder für den Übermann noch für die Liebe auf Besuch entscheiden, sondern für das Verbindungswort ODER, welches aus pataphysischer Sicht am allerinteressantesten erscheint. Oder?
Mit: Marc Bodnar, Altea Garrido, Rosemary Hardy, Sachiko Hara, Anja Laïs, Sasha Rau, Clemens Sienknecht, Bettina Stucky, Gala Othero Winter, sowie: Rolf Bach, René Batista, Uwe Behrmann, James Bleyer, Niels Christenhuß, Tommaso del Duca, Steffen Gottschling, Allan Naylor, Davide Pronat, Mohammad Sabra
Regie:Christoph Marthaler
Bühne:Anna Viebrock
Kostüme:Sara Kittelmann
Licht:Annette ter Meulen
Ton: Matthias Lutz, Christoph Naumann
Video:Marcel Didolff, Peter Stein
Dramaturgie:Malte Ubenauf
Cello: Isabel Kathrin Gehweiler