Zum Inhalt: Es herrschen goldene Zeiten in der Republik Venedig. Die Kapital- und Warenströme fließen, die Welt rückt zusammen, die Schuldenberge wachsen, und bis es zu dem fatalen Handel zwischen dem christlichen Kaufmann Antonio und dem verachteten jüdischen Geldverleiher Shylock kommt, scheinen alle darauf zu vertrauen, dass dies ewig so weitergehen wird. Ein Pfund Fleisch von Antonios Körper fordert Shylock, falls der Kredit, den er ihm gewährte, nicht rechtzeitig zurückgezahlt werden kann. Der Zahltag bricht an, Antonios Untergang scheint unvermeidlich, denn Shylock dringt nun unbarmherzig auf die Begleichung der Schuld. Von Gnade will der verspottete und diskriminierte Jude nichts wissen. Sein Insistieren auf die Rechtsgültigkeit seines Anspruchs wird vor dem christlichen Gericht allerdings mit einem juristischen Kniff aus der Trickkiste des Kasperletheaters beantwortet; der entrechtete Shylock steht einmal mehr als armer Teufel und Verlierer da.
Mit Jonas Hien, Jan-Peter Kampwirth, Matti Krause, Carlo Ljubek, Joachim Meyerhoff, Angelika Richter, Maximilian Scheidt, Yuko Suzuki, Gala Othero Winter, Musiker:Dirk Dhonau, Vlatko Kucan
Regie: Karin Beier Bühne: Johannes Schütz Kostüme: Eva Dessecker Licht: Annette ter Meulen, Musik: Jörg Gollasch Ton: Hans-Peter ›Shorty‹ Gerriets, Lukas Koopmann Dramaturgie: Christian Tschirner
Beiers „Kaufmann von Venedig“ ist zu sehr auf Joachim Meyerhoff zugeschnitten. Er ist das Kraftzentrum des Abends, kann ihn aber ohne überzeugendes Regiekonzept auch nicht stemmen. Über weite Strecken des knapp dreistündigen Abends sitzt er aber teilnahmslos mit dem Rücken zum Publikum (in der Eröffnungsszene) oder hält sich qualmend im Hintergrund. Dann zerfasert das Geschehen auf der Bühne. Die verschiedenen Handlungsstränge sind schon bei Shakespeare nur recht lose verbunden, hier laufen sie ins Leere: Auf der einen Seite das Drama um den Schuldschein des Antonio (Carlo Ljubek), der sich verpflichtet, dass ihm Shylock ein Pfund Fleisch aus dem Körper schneiden darf, falls er das Darlehen nicht zurückzahlen kann; auf der anderen Seite das Rätsel für die Heiratskandidaten der Portia (Angelika Richter), die aus drei Kästchen wählen müssen, was nur Antonios Freund Bassanio (Matti Krause) schafft.
Der Abend plätschert über weite Strecken dahin, bis Joachim Meyerhoff wieder eingreift. Wenn er zum berühmten Monolog „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?“ ansetzt, wird es ganz still im Saal. Auch sein Deal, den er mit Antonio schließt, und die Gerichtsverhandlung, in der zwischen Shylock und Antonio geschlichtet werden muss, gehören zu den wenigen starken Szenen, in denen „Der Kaufmann von Venedig“ seine Betriebstemperatur erreicht.
Allerdings liegen gerade darin, dass der Abend so sehr auf den Stargast vom Burgtheater zugeschnitten ist, weitere Probleme: Auf dem schmalen Grat zum Overacting droht er kurz abzustürzen, als er sich allzu verzweifelt als Schmerzensmann krümmt. In einem längeren Solo bietet er einen Streifzug durch die Kunstgeschichte und berauscht sich an seinem Können. Dieser kleine Exkurs ist zwar unterhaltsam, kann aber die Leere des restlichen Abends nicht überdecken.
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