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Herr Puntila und sein Knecht Matti

Bewertung und Kritik zu

HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI 
von Bertolt Brecht
 
Regie: Karin Beier 
Premiere: 22. September 2024  
Deutsches Schauspielhaus Hamburg 

Zum Inhalt: Bertolt Brecht sitzt abgeschnitten von der Welt auf einem Landgut im finnischen Exil. Für einen Dramatikwettbewerb überarbeitet er den Entwurf eines Volksstücks seiner Gastgeberin Hella Wuolijoki. Der Erfolg bei der Jury bleibt aus, doch nach Ende des Zweiten Weltkriegs avanciert dieses Porträt einer moralisch wie ökonomisch verschuldeten Gesellschaft, in der die Herrschaftsverhältnisse so untragbar wie unauflösbar sind, neben der »Dreigroschenoper« zu Brechts meistgespielten Stücken.

Der Gutsbesitzer Puntila lässt keine Gelegenheit aus, sich dem Alkohol hinzugeben. Unaufhörlich meldet sich der Durst. Betrunken zeigt er sich gesellig und empathisch, macht Versprechungen, führt sein moralisches Gewissen spazieren, sieht sich als Opfer seiner Rolle, wirbt bei seinen Untergebenen um Verständnis für seine Besitzverhältnisse und die Macht, die daraus resultiert. Wie gerne wäre er ein anderer. Wie gerne verhielte er sich menschlich, wäre wie Matti, sein Chauffeur, dem er jedoch in nüchternem Zustand keinerlei Rechte zuspricht – zumal dieser ein „Roter“ ist, eine drohende Gefahr, einer, der sich organisieren und emanzipieren könnte gegen seinen Herrn. Darum weiß Puntila, besonders in den Momenten, wenn der Durst nachlässt. Ausgenüchtert verwandelt er sich zum kalten, berechnenden Herrenmenschen, dem alles zum Geschäft wird, auch Beziehungen, selbst die eigene Tochter. Doch seine Zeit geht zu Ende. Das spürt er in jedem Moment.

Regie: Karin Beier, Bühne: Johannes Schütz, Kostüme: Wicke Naujoks, Musik: Jörg Gollasch, Licht: Annette ter Meulen, Video: Severin Renke, choreografische Mitarbeit: Valenti Rocamora i Torà, Dramaturgie: Judith Gerstenberg.
Mit: Jan-Peter Kampwirth, Joachim Meyerhoff, Josef Ostendorf, Maximilian Scheidt, Lilith Stangenberg, Kristof Van Boven, Michael Wittenborn und Vlatko Kučan, Jakob Neubauer (Live-Musik).

3.0 von 5 Sterne
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Brechts Volksstück als tragisch- melancholische Komödie in Krisenzeiten
1 Monat her.
Kritik

''Brecht ist 1940 auf seiner Flucht aus Nazi-Deutschland in Finnland angekommen. Dort sitzt er auf dem Landgut der estnisch-finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki, deren Volksstück Sägespäneprinzessin er zum Puntila umarbeitet, und verfolgt im Radio und den Zeitungen die „schlacht um england“ (Arbeitsjournal). Nicht nur das Programmheft zeichnet die Entstehungsgeschichte des Puntila mit, auch Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier lässt im Hintergrund immer wieder ein Radio mitlaufen, aus dem die Stimme Adolf Hitlers dringt und nicht nur deutsche Heilschöre zu vernehmen sind. Auch in Finnland blieb bedingt durch den verlorenen Winterkrieg gegen die einmarschierte Sowjetarmee und die ausbleibende Hilfe der Westalliierten nur ein Bündnis mit Nazi-Deutschland. Man stand kurz vor dem Fortsetzungskrieg gegen die Sowjetunion, den die finnische Regierung als „antibolschewistischen Kreuzzug“ propagierte. Finnland aufgerieben zwischen zwei Supermächten, die zuvor Europa unter sich aufgeteilt hatten.

Schon 1917 gab es infolge der Oktoberrevolution in Russland auch einen Bürgerkrieg in Finnland, bei dem nationalbürgerliche Schutzkorps gegen rote Arbeitergarden kämpften. Mit Hilfe deutscher Truppen wurden die Roten Garden blutig geschlagen und viele Gefangene kamen in Lagern um. Auch auf der Bühne von Johannes Schütz sieht es wie nach einer Schlacht aus. Zerbröseltes Pappmache, umgestürzte Tische und ein Hausskelet kreiseln auf der Drehbühne. Im Hintergrund steht ein alter Campingwagen, in dem eine Zwei-Mann-Band (Vlatko Kučan, Jakob Neubauer) atmosphärisch schön und sehr melancholisch die Musik von Paul Dessau und Jörg Gollasch spielt. Düstere Landschaftsvideos flimmern im Hintergrund (Severin Renke). Von einer schönen Gegend keine Spur. Der Hass auf die Roten, hier verkörpert vom „rote Surkkala“ (Jan-Peter Kampwirth), ist allgegenwärtig beim Probst (Josef Ostendorf) und Puntilas Saufkumpan, dem Richter Fredrik (Michael Wittenborn). Und auch wenn Karin Beier viel Slapstick und Parodie spielen lässt, hat die Inszenierung immer auch einen eher tragikomischen Unterton.

Schon die Ankündigung von Jan-Peter Kampwirth in Brechts Vorwort: „Drum haben wir ein komisches Spiel gemacht.“ kann man so nicht ganz ernst nehmen. Und auch die Regieidee, die Frauen, die Puntila sich im Suff anverlobt, von Jan-Peter Kampwirth, Josef Ostendorf, Maximilian Scheidt und Michael Wittenborn travestieren zu lassen, hat nicht nur komische Momente. Wie schon Sascha Nathan im Berliner Puntila aus dem letzten Jahr kumpelt sich Meyerhoff in der Gesindemarkt-Szene ans Publikum ran. Dass Lilith Stangenberg als Puntilas Tochter Eva, die von ihrem Vater samt Wald-Mitgift an den mittellosen Attaché und weichlichen Pappkameraden (Jan-Peter Kampwirth) verhökert werden soll, hat es da doppelt schwer, erwehrt sich aber tapfer der chargierenden Männerriege und der erniedrigenden Examinierung zur Chauffeursfrau durch Matti.'' schreibt Stefan Bock am 4. Dezember 2024 auf KULTURA-EXTRA

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Meyerhoff mit angezogener Handbremse und derbe Späße
3 Monate her.
Kritik

Dieses Landgut hat schon bessere Zeiten gesehen. Auf der ansonsten leeren Bühne hat Johannes Schütz allerlei Sperrmüll und Trümmer verteilt. Aber auch um den Hausherrn steht es nicht besser: im Zottel-Look und mit Rotzbremse auf der Oberlippe taucht Joachim Meyerhoff in diesem unwirtlichen Szenario auf.

Brechts „Puntila“ ist eine Paraderolle für den Hamburger Neuzugang, der zum Spielzeitauftakt von der Berliner Schaubühne ans Schauspielhaus wechselte und gleich die Titelrolle in der Eröffnungsinszenierung der regieführenden Intendantin Karin Beier bekam.

So richtig in Fahrt kommt Meyerhoff, als er das Publikum anpflaumen kann: auf dem Gesindemarkt hält der Gutsherr Ausschau nach neuen, willigen Arbeitskräften. Dazu wird das Licht im Saal so weit aufgeblendet, dass der Schauspielstar seine Opfer in den ersten Reihen ins Visier nehmen kann. Genüsslich macht er sich über Brillen und Frisuren lustig, am liebsten demütigt er aber seinen Spielpartner Michael Wittenborn, den er immer nur „den Kümmerlichen“ nennt und dazu zwingt, auf ein Podest zu steigen und „Mercedes Benz“ von Janis Joplin zu krächzen.

Meyerhoff darf diesmal nicht nur das provokative Ekel spielen, als das er zuletzt auch in Jette Steckels Münchner Theatertreffen-Gastspiel „Die Vaterlosen“ herumätzte, sondern auch den jovialen Charmeur, den wir bei seinem Auftritt als Trigorin in Thomas Ostermeiers „Die Möwe“ kennenlernten. Für diesen Auftritt an der Schaubühne wurde er zum Schauspieler des Jahres 2023 gewählt.

Es war zu erwarten, dass der Abend eine große Meyerhoff-Show wird. Manchmal blitzt dies auch auf. Erstaunlich ist aber, dass er die Handbremse angezogen lässt und sich nicht zu viel Raum nimmt.

Der Inszenierung tut dies jedoch nicht gut. Die drei Stunden 15 Minuten verlieren sich zu oft in derben Späßen auf Schwanzvergleich-Niveau und unnötigen Längen. Puntilas Bräute, denen er im Suff Anträge machte, werden zu Travestie-Witzfiguren (Jan-Peter Kampwirth, Josef Ostendorf, Maximilian Scheidt und der schon erwähnte Michael Wittenborn).

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