Zum Inhalt: Nach »Effi Briest« und »Anna Karenina« präsentiert Rock-Antenne Walhalla jetzt den brandneuen Hit der Walküren: Das Nibelungenlied! „In Worms bi dem Rhine wohnten dri Könige mit ihr Kraft. In Dienste von ihr Landen vil stolze Riterschaft. Mit stoltzlichen Ehren all ihres Lebens Zeit, bis jämmerlich sie starben von zweier edeln Frovwen Streit.“ Erleben Sie die berühmte Familiensaga um Kriemhild, Brunhild, Gunter, Gernot, Giselher, Ute, Hagen, Etzel, den starken Siegfried und den rattenscharfen Spielmann Volker von Alzey. Tauchen Sie ein in ein Jahrtausendwerk, an dem sich die größten Geister scheiden: „Ein elendes Zeug, nicht einen Schuss Pulver werth.“ (Friedrich der Große) / „Ein köstliches Werk!“ (Goethe) / „Abstrus-peinliche Betrugskomödie dank der törichten Schwatzhaftigkeit ihrer Protagonisten.“ (Marcel Reich-Ranicki) Extreme Emotionen, große Heldentaten und Ströme von Blut sind garantiert, wenn Barbara Bürk und Clemens Sienknecht mit der nächsten Folge ihrer erfolgreichen Radioshow auf Sendung gehen.
Mit: Lina Beckmann, Yorck Dippe, Ute Hannig, Markus John, Friedrich Paravicini, Clemens Sienknecht, Michael Wittenborn
Regie: Clemens Sienknecht, Barbara Bürk Bühne Und Kostüme: Anke Grot Licht: Björn Salzer Dramaturgie: Sybille Meier
Mit ihrer „Effi Briest“-Radioshow landeten Barbara Bürk und Clemens Sienknecht 2015/16 einen Überraschungshit im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses, der seine Einladung zum Theatertreffen verdient hat. Das Konzept, den klassischen Schullektüre-Stoff auf die Schippe zu nehmen und mit einer ironischen Hommage an herrlich altmodische Radioshows vergangener Jahrzehnte zu koppeln, war originell und sorgte für gute Laune.
Dieses Erfolgsrezept versuchten Bürk/Sienknecht bereits mehrfach zu kopieren: sowohl auf der großen Bühne des Schauspielhauses, aber auch in anderen Städten. Das Problem: Was einmal gelang, lässt sich nicht beliebig klonen. Keine der Kopien erreichte bisher den Charme des „Effi Briest“-Originals.
Zu sehr zerfällt auch der pausenlose, zweistündige „Nibelungen“-Abend in zwei Teile. Anfangs steht mit „Radio Walhalla“ die Parodie des Mediums im Mittelpunkt. Das Beste der 70er, 80er und 90er wird kurz angespielt, Werbe-Spots und Verkehrsfunk veräppelt, bewusst ungelenk tanzt das Ensemble und guckt bedröppelt bei der nächsten Panne der Radioshow, wenn z.B. der Plattenspieler marthalerhaft stets an derselben Stelle hängen bleibt.
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Pures Vergnügen
"Radio Walhalla" ist auf Sendung. Die Welt der Nibelungen entsteht auf der Bühne des Schauspielhauses. Doch in etwas ungewohntem Outfit. Der unbesiegbare Siegfried kommt als zarter "Sigi Stargast" (Clemens Sienknecht) daher, in seinem spacigen Superman Kostüm. Um Kriemhild zu gewinnen, muss er Gunter zu seiner angebeteten Brünhild verhelfen. Doch der Wettkampf mit Hagen von Tronje wird nicht mit Schwertern oder Fäusten ausgetragen. sondern mit Songtiteln. Klarer Sieger bleibt Sigi. Er reiht einen Hittitel an den nächsten. "Dieser Wettkampf wurde ihnen präsentiert von Mode Meier!"
In ihrem Tonstudio nehmen sie immer mal wieder um den Plattenteller Platz. Sie lauschen der beruhigenden Erzählerstimme inmitten ihrer Sitzrunde. Solange bis jemand der Platte einen Schubs gibt oder alle aufspringen und die nächste Szene lieber live spielen.
Obwohl Radio Walhalla zu Beginn ankündigt, dass heute alles auf gut deutsch stattfindet, stammen auch dieses Mal alle Zutaten aus den poppigen Achtzigern. Alles ist hier im Diskofieber. Statt deutscher Welle dreht sich hier der Pop-Teller. So wird auch das deutsche Heldenepos wieder in kleine Werbepausen taugliche Schnipsel zerhackt. Wenn das Drama zu nervenaufreibend wird, wird der nächste Jingle eingespielt, wird der nächste Werbeblock eingeschaltet oder die Verkehrsnachrichten eingeblendet.
Die bewährten Schauspieler haben unter der Regie von Clemens Sienknecht und Babara Bürk wieder einen sichtbaren Spaß an ihrer Veralberung der Vorlage. Nach Anna Karenina und Effi Briest jetzt die Nibelungen. Ihr Rezept dazu bleibt gleich: Verdauliche Häppchen unterbreiten die Darsteller ihrem begeisterten Publikum. So kann man die Nibelungen ohne Bayreuth-Pathos und -Pomp leicht verdaulich genießen. Möglichen Diskurse über eine nationale Heldengeschichte, die eine ungünstige Verknüpfung mit dem Nazierbe eingehen könnte, sollen hier nicht die Stimmung trüben. So kann sich jeder im Publikum ungestört dem albernen Vergnügen auf der Bühne widmen.
Birgit Schmalmack vom 14.10.19
www.hamburgtheater.de