Regie: Antú Romero Nunes Premiere: 4. September 2024 Lausitz Festival Görlitz, Forst
Zum Inhalt: Die Dramatisierung des neuesten Romans der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, deren Texte bereits beim Lausitz Festival präsentiert wurden, inszeniert einer der bedeutendsten Regisseure seiner Generation, Antú Romero Nunes, als schauriges Trinkgelage einer lungenkranken, männlichen Vorkriegsgesellschaft um 1913.
Der Clou dieser Inszenierung besteht darin, dass sämtliche männliche Figuren des Romans Frauen verkörpern. Und zwar Anne Haug, Gro Swantje Kohlhof, Charlotte Müller, Aenne Schwarz und Sabine Waibel.
Die Schauspielerinnen führen mit den Mitteln des Spiels und der Verfremdung die patriarchalen Verhältnisse vor und geben uns Einblick in ausrangierte Männerseelen, deren unerfüllte Sehnsüchte, Träume, aber auch Machtfantasien.
Der im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienene Roman ist eine queer-feministische Parodie auf den „Zauberberg“ von Thomas Mann. Ähnlich ausfernd-mäandernd wie bei dem Klassiker ist auch die Erzählweise von Tokarczuk: eine gewaltige Herausforderung für Lucien Haug, der am Theater Basel bereits mehrfach mit Regisseur Antú Romero Nunes zusammengearbeitet hat, daraus eine Stückfassung zu machen.
Natürlich schimmert in den zwei Spielstunden immer wieder durch, dass wir es hier mit einem Abend zu tun haben, der auf einer Roman-Vorlage basiert, die erst mühsam für die Bühne bearbeitet und zurechtgeschliffen wurde. Die Spielfassung ist sehr dialogisch und konzentriert sich auf das Wesentliche. All die atmosphärischen Beschreibungen, die den Reiz des philosophischen Schauerromans ausmachen, werden zwangsläufig eingedampft, so dass manche Dialoge auf der spartanisch ausgestatteten Bühne im luftleeren Raum wirken.
Das prominente Frauen-Ensemble kann dies zum Teil wettmachen: Während sich bei Tokarczuk gut situierte Männer um Kopf und Kragen reden, treten bei Nunes ausschließlich fünf Frauen in den zentralen Rollen auf. Mit Paraphrasen von misogynen Tiraden von Arthur Schopenhauer, Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche lassen sie ihrer toxischen Männlichkeit freien Lauf. Die Stärke der Inszenierung ist, dass die Spielerinnen sehr deutlich machen, dass hinter den kraftmeierenden Sprüchen tiefe Verunsicherung steckt.
Innerhalb des Ensembles ragen vor allem Sabine Waibel als Wiener Altertumsforscher August August in seiner verklemmt-homoerotischen Übergriffigkeit, Gro Swantje Kohlhoff als gebrechlicher, dauerhüstelnder Berliner Jüngling Thilo von Hahn und Aenne Schwarz als androgyne Hauptfigur Mieczyslaw Wojnicz hervor.