Regie: Stefan Bachmann Premiere: 23. September 2021 Düsseldorfer Schauspielhaus Koproduktion mit dem Schauspiel Köln Kölner Premiere: 30. Oktober 2021 Berliner Autor:innentheatertage (2022)
Zum Inhalt: Das neue Stück von Rainald Goetz trägt im Titel ein Zitat aus dem Glaubensbekenntnis, es heißt »Reich des Todes«. Dorthin ist der Autor hinabgestiegen, in einen imaginierten Hades, wo er sein Personal berichten lässt von einem Bruch in der Zivilisationsgeschichte. Rainald Goetz ist als Schriftsteller auch immer ein Chronist der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, ein Autor, der die Zeit, die er beschreibt, umwandelt in seine künstlerische Interpretation des eigentlich Geschehenen. In »Reich des Todes« ist es eine Geschichte des historischen Niedergangs nach dem 11. September 2001. Goetz und sein Personal aus Politikerinnen und Strippenziehern, Soldatinnen und Folterknechten, Juristen und Geschundenen erzählen vom langen Schatten, den die brennenden WTC-Türme warfen, in dessen Dunkelheit sich Überwachungsstaat, Staatsfolter und maßloser Machtmissbrauch Bahn brachen. Es ist eine dunkle Geschichte einer jungen Vergangenheit, die unsere Gegenwart begründet hat, eine Erzählung von einem ungeheuerlichen Bruch mit allem, was uns als Gesellschaft vermeintlich ausmacht – orientiert an der Realität und geworfen in die Goetz’sche Assoziations- und Verknüpfungsmaschine, die virtuos und glasklar das Böse im Menschen als Konstante beschreibt.
mit Cathleen Baumann, Sophia Burtscher, Rosa Enskat, Claudia Hübbecker, Melanie Kretschmann, Sabine Waibel, Ines Marie Westernströer Live-Musik: Leo Henrichs, Sven Kaiser, Zuzana Leharová, Annette Maye
Regie: Stefan Bachmann Bühne: Olaf Altmann Kostüm: Jana Findeklee und Joki Tewes Musik: Sven Kaiser Choreografie: Sabina Perry Dramaturgie: Beate Heine, Robert Koall
Präzise Sprechoper zu Macht und sexueller Gewalt in Abu Ghraib
1 year ago
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Kritik
Alle Rollen in diesem Stück über Macht, Demütigung und sexuelle Unterwerfung hat er mit Frauen aus den beiden Ensembles besetzt. In einem Labyrinth aus Gitterstäben, das Olaf Altmann entwarf, setzen die Spielerinnen zu einem hochkonzentrierten Sprechgesang an, der von einem vierköpfigen Live-Musik-Orchester begleitet wird.
Mit klug gesetzten Strichen führt Bachmann durch den Goetz-Text: von der Perspektive der Schreibtisch-Täter, die die rechtlichen Winkelzüge ausheckten, mit denen Folterverbot und weitere Normen des humanitären Völkerrechts ausgehebelt werden, wechselt er zur Perspektive der Täter*innen um Lynndie England, deren sadististisches Grinsen auf den Abu Ghraib-Fotos um die Welt ging. In der stärksten Passage des Abends zoomt die Inszenierung auf die Perspektive der Opfer. Das Grauen wird hier nicht aus- oder szenisch nachgestellt, in den beklemmenden Reflexionen jedoch sehr deutlich. Die gesamte Inszenierung ist deutlich zurückgenommener, weniger revuehaft und explizit als die Hamburger Uraufführung.
Überfrachtet wird der knapp 2,5stündige Abend durch das stakkatoartige, das Publikum stark fordernde Solo, mit dem Melanie Kretschmann den Abend beendet. Hier entschied sich Karin Beier mit einem orchestralen Klanggewitter ihres Ensembles für die eindrucksvollere Lösung.
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''Das Stück hat keine Handlung, und es finden in ihm keine zwischenmenschlichen Interaktionen statt, also nicht wirklich. Es gehorcht gewissermaßen seiner sprachlich aufgeblasenen Textur, die dreiaktig daher kommt und als "Regierung", im "Gefängnis" und im "Hades" spielt - gemeint sind a) das Weiße Haus, b) Abu Ghraib und c) NS-Deutschland mit einem Hang zur weitreichenderen Verallgemeinerung in puncto Terror oder Totalitarismus.
Am Ende der von dem Septett grandioser Schauspielerinnen [Namen s.u.] absolvierten zweieinhalbstündigen Text-Orgie wusste womöglich trotzdem nur ein unbedeutender Prozentsatz des am Stück interessierten Publikums, worum es in Goetz' Reich des Todes eigentlich dann ging - allein der Mittelteil bestand aus etwa einer Stunde pingeligst und en detail beschrieb'ner Folter oder artverwandter "zivilisatorischer" Sadismen.'' schreibt Andre Sokolowski am 9. Juni 2022 auf KULTURA-EXTRA