Zum Inhalt: Thomas Braschs Prosaband VOR DEN VÄTERN STERBEN DIE SÖHNE erschien 1977 in der Bundesrepublik und machte den Autor schlagartig berühmt. Kurz zuvor war Brasch aus der DDR ausgereist. 1945 als Kind jüdischer Emigranten in London geboren und in der DDR aufgewachsen, ist Braschs Leben ein Spiegel der Nachkriegszeit in der Spannung von Aufbruch und Enttäuschung. Verhaftet wegen angeblicher „staatsfeindlicher Hetze“, wird Brasch nach dem Gefängnis zur Arbeit „in die Produktion“ geschickt. Der junge Autor nutzt die Zeit und die Begegnungen, die er macht, und schreibt eine ungemein dichte und doch leichte Prosa. Realistische Schilderungen werden zu poetischen Bildern von der Sehnsucht nach einem anderen, sinnhaften, sinnlichen und freien Leben. Der junge Robert, einer der Protagonisten in Braschs Erzählungen, fordert ein Leben „ohne Fabriken, ohne Autos, ohne Zensuren, ohne Stechuhren. Ohne Angst. Ohne Polizei.“ Braschs Texte sind einerseits geprägt vom Leben in der DDR, andererseits gehen sie in ihrer Phantasie und poetischen Spannweite weit über eine orts- und zeitbezogene Milieuschilderung hinaus. Sie erzählen von den Widersprüchen, Konflikten und den Seelenzuständen der Menschen in der Zeit des Kalten Krieges und von einer großen Sehnsucht nach einer gerechten und gewaltfreien Welt. Sebastian Hartmann wird in seiner fünften Arbeit am Staatsschauspiel Dresden die Dichtung Braschs auf der Bühne des Schauspielhauses zum theatralen Erlebnis machen.
Mit: Luise Aschenbrenner, Marin Blülle, Kriemhild Hamann, Linda Pöppel, Torsten Ranft, Yassin Trabelsi und Viktor Tremmel
Regie, Bühne und Musik: Sebastian Hartmann Kostüme: Adriana Braga Peretzki Lichtdesign: Lothar Baumgarte Animation: Tilo Baumgärtel Dramaturgie: Jörg Bochow Live-Kamera: Julius Günzel und Eckart Reichl
[table][tr][td] ''Die Erzählung [i]Und über uns schließt sich ein Himmel aus Stahl[/i] ist die längste des Prosa-Bandes. Hier geht es um drei junge Menschen zwischen Arbeit, Wunsch nach Freiheit und politischer Repression. Das verkörpern hier sehr zärtlich Luise Aschenbrenner, Linda Pöppel (als Gast vom Berliner DT) und Viktor Tremmel. Die Brasch-Bearbeitung des antiken Mythos des von Gott Apoll gehäuteten Marsyas wird von Viktor Tremmel und Marin Blülle gespielt. Den mit Theaterblut Überströmten hält Linda Pöppel wie in einer christlichen Pieta in den Armen. Hier zeigt sich wieder Hartmanns Bildgewalt, die durch die geschickte Verdopplung von Spielszenen und live gefilmten Videobildern verstärkt wird. Der Leipziger Künstler Tilo Baumgärtel hat wieder eine seiner eindrucksvollen Videoanimationen beigesteuert. Die auf der Bühne stehenden Nachbildungen von Großwildtieren bevölkern darin leere Häuserschluchten und dringen in die menschlichen Behausungen ein.
Viele weitere Textsplitter aus Braschs Erzählungen kann man erkennen, wenn man das schmale Bändchen gelesen hat. Sie zeugen von einem andauernden Kampf gegen bestehende Verhältnisse. Jung kämpft gegen Alt, das Scheitern immer inbegriffen. Wie deren Träume gefriert da auch schon mal ein Telefon. [i]„Wo ist man woanders?“[/i] ist der verzweifelte Schrei des Abends. Kurz wird auch Braschs Gedicht [i]Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin[/i] angesprochen. Kriemhild Hamann singt zur Gitarre Bettina Wegners [i]Sind so kleine Hände[/i]. Von Feeling B erklingt [i]Ich such die DDR[/i] und [i]Als wär‘s das erste Mal[/i] von DAF. Da hat Sebastian Hartmann, der neben Regie und Bühne auch die Auswahl der Musik verantwortet, tief in die Retrokiste gegriffen. An anarchischem Theaterfeuer mangelt es diesem zweistündigen Abend nicht, auch wenn er einen manchmal ein bisschen im sprichwörtlichen Regen, der unablässig auf der Hinterbühne fällt, stehen lässt.'' schreibt Stefan Bock am 4. Juni 2022 auf KULTURA-EXTRA [url=https://www.kultura-extra.de/theater/auffuehrungen/premierenkritik_VorDenVaetern_staatsschauspielDD.php][/url][/td]
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