Bewertung und Kritik zu
SERCE (HERZ)
nach Joseph Conrad
Regie: Wiktor Bagiński
Premiere: 5. März 2021 (TR Warszawa)
Deutschland-Premiere: 11. November 2021 (Saal & Online, Fast Forward Festival)
Staatsschauspiel Dresden
Zum Inhalt: SERCE ist Wiktor Bagińskis Debüt am TR Warszawa, mit dem er den Preis des polnischen Forums für junge Regie einlöste und sein Studium an der Theaterakademie Krakau abschloss. Bagińskis eigene Biografie wird hier zum Ausgangspunkt einer beeindruckenden künstlerischen Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte Europas und ihren Folgen bis heute. Mit der Autorin Martyna Wawrzyniak überschreibt er Conrads HERZ DER FINSTERNIS mit der Geschichte eines jungen Polen, der als Person of Color ohne Vater aufwächst, den er auch nie kennenlernt. Seine Reise ins Herz der eigenen Geschichte wird am TR Warszawa von einem weißen Ensemble gespielt. Bagiński öffnet damit auf der Bühne einen außerordentlichen Raum: der Begegnung, des Konflikts, des Erzählens über eines der zentralen Themen unserer Gegenwart:
„Meine Tragödie ist nicht, dass ich schwarz bin. Meine Tragödie ist nicht einmal, dass ich ein schwarzer Pole bin. Die Tragödie, die ich – in Anlehnung an James Baldwin – am meisten fürchte, besteht darin, eine Theologie zu akzeptieren, die sich weigert, zu leben. Es geht um die Möglichkeit zu erwägen, ein Untermensch zu sein. Wenn eine solche Möglichkeit, oder vielmehr nur ein Gedanke, zugelassen wird, dann beginnt der Kampf um die eigene Menschlichkeit. SERCE gibt den Diskurs zugunsten der Erfahrung auf. Der Erfahrungen von Verlust und Ablehnung, die Leid brachten. Aber die Suche nach diesem einen Moment, in dem der Hass zur Welt kommt, erlaubt die unbekümmerte Bejahung der ABWESENHEIT. Abwesenheit eines Vaters.“ Wiktor Bagiński
Mit Jan Dravnel, Dobromir Dymecki, Magdalena Kuta, Aleksandra Popławska & Wiktor Bagiński (auf / on Video)
Adaption & Regie: Wiktor Bagiński
Text: Wiktor Bagiński, Martyna Wawrzyniak
Bühne: Anja Oramus
Kostüm: Marcin Kosakowski
Licht Design & Video: Natan Berkowicz
Musik: Bartek Prosuł
Choreografie: Krystyna Lama Szydłowska