Kritik
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Wer sich das Ereignis dieser Neuinszenierung zeitnah gönnen wollte und nicht bereit war, sich bis zur ZDF-Sendung am kommenden Sonntag zu gedulden, war auf einen rechten Hindernislauf angewiesen, weil die Direktsendung über ORF 2 ausserhalb Österreichs wohl deshalb nicht zu sehen sein sollte, damit die Aufzeichnung lukrativ ins Ausland verkauft werden kann. Schliesslich wurde ein Kanal über Zattoo gefunden, der zumindest ein Guckfenster öffnete.
Puccinis 1904 uraufgeführte Oper von der gutgläubigen kleinen Japanerin Cio-Cio-San, die ihr Herz an einen amerikanischen Seeoffizier verliert und hofft, dass der sie heiraten und nach USA mitnehmen werde, endet in tragischer Ernüchterung. Der Amerikaner kommt mit seiner wirklichen Ehefrau erneut nach Japan und nimmt Cio-Cio-Sans kleinen Sohn mit, dessen Mutter sich, entehrt, den Tod gibt.
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Die Aufführung der Bregenzer Festspiele muss die Aufgabe lösen, eine überaus intime Tragödie im grandiosen, weitläufigen Bühnenbild von Michael Levine mit seinen fulminanten Projektionen zu realisieren. Das geschieht mit ausführlichen Gängen des Chors in der Regie von Andreas Homoki und unter der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola recht eindrucksvoll. Es gelingt mit erheblichem technischen Aufwand sogar, die sehr achtbaren Stimmen der Hauptpersonen einigermaßen klangschön aus der heimischen Fernseh-Toneinheit hörbar werden zu lassen. Das Bregenzer Bodenseewasser wird effektvoll in die Szene einbezogen, sei es als Erweiterung der Spielfläche oder einfach, indem man hineinspringt.
Die verführte und ihrer Ehre beraubte Japanerin Cio-Cio-San, genannt Butterfly, verkörpert hier mit bisweilen einschmeichelndem Sopran Barno Ismatullaeva. Ihr verführerischer Amerikaner B.F. Pinkterton ist mit strahlendem Tenor Edgaras Montvidas. Die Dienerin Suzuki singt Annalisa Stroppa. Den Konsul Sharpless, der die tragische Entwicklung nicht abwenden kann, stellt Brian Mulligan sehr glaubwürdig auf die Szene.
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Cio-Cio-San lässt sich in ihrem festen Glauben an Pinkterton nicht beirren. Eine anderweitige Heirat mit dem Fürsten Yamadori lehnt sie ab. Der Aufwand zur szenischen Belebung ist unterdes beträchtlich und füllt den verfügbaren Raum in sehenswerter Weise. Die Wartezeit bis zu Pinkertons Rückkehr wird unter anderem mit dem berühmten Summchor gefüllt.
Da ist er wieder! Madame Butterfly umarmt ihren Amerikaner. Ausdrucksvoller Bewegungschor. Aber diese Rückkehr war zunächst nur ein Wunschtraum. Jetzt Pinkerton und Konsul Sharpless. Ja, und eben mit einer Dame, die sich als die wahre Misses Pinkerton herausstellt. Reue hilft nicht weiter. Geld auch nicht. "Sie wird so sehr weinen". Abschied vom Sohn. Harakiri vor Publikum, Flammen vor dem Bühnenbild. Effektvolles Finale.
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Viel Beifall vom Publikum. Eine gelungene Inszenierung mit einer überzeugend funktionierenden Lösung vieler technischer Probleme. Erneut im ZDF am 24.Juli 2022.
Horst Rödiger
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