Kritik
''Der irische Regisseur Gavin Quinn gibt seiner Uraufführung Nō Nō Nō den verheißungsvoll-vielversprechenden Untertitel Tücken und Abgründe des amerikanischen Traums. Kann wirklich jeder es nach oben an die Spitze der Gesellschaft schaffen, wenn er nur hart genug dafür arbeitet? Olivia, Daphne, Kevin und Matilda, die Figuren auf der Bühne, wirken allesamt zugewandt, konzentriert und engagiert. Sie trainieren mit verteilten Rollen mögliche Kundenszenarien, rücken auf der Bühne Regale und überprüfen den Warenbestand. Doch neben ritualisierte Bewegungen treten Gespräche, die nahelegen, dass sich die Figuren nicht wirklich füreinander interessieren. In der künstlich sterilen und kalten Atmosphäre des Supermarkts erobert Kevin das ungeteilte Interesse seiner Kolleginnen, wenn er ihnen genüsslich von seinen Erfahrungen mit der Mobile-Dating-App Tinder und One Night Stands berichtet. Einige Kolleginnen sind ungläubig, und andere finden es toll, wenn auch im Privatleben alles immer neu und austauschbar bleibt.
Schon bald gerieren sich die Figuren zur eigentlichen Hauptattraktion des Supermarktes. Dabei glitzert der schöne Schein immer eine Spur zu viel. Als einfältig-naive Daphne lacht Birte Schrein etliche Male völlig enthemmt und bedient sich dabei einer köstlich-quirligen und ausdrucksstarken Mimik. Manuel Zschunke sorgt nicht nur bei seinen interessierten Kolleginnen wiederholt mit aggressiv provokantem Flirtappeal für Spannung. Er beeindruckt auch, wenn er mehrmals durch aneinandergereihte Einkaufswagen hindurchkriecht. Das Warten auf mögliche Kunden verkürzen sich die Akteure durch exzessives Einüben immer abstruserer Situationen. Ursula Grossenbachers Olivia entleert Ketchup, Mayo und Milch auf den Boden. Lena Geyer rollt sich probeweise nach einem möglichen Ausrutschen darüber. Schließlich ist sie auch diejenige, die alles wieder aufwischen darf.
Es tauchen noch immer keine Kunden auf, und so wird schlussendlich frei über die Absurdität des Daseins assoziiert. Wummert das Nichts eigentlich laut tönend, wenn man es aushält? Könnte man durch die Live-Schlachtung von Haustieren mehr Kunden gewinnen? Überlebt man unterirdisch mit Dosenfraß im Falle einer Katastrophe? Die Figurenkonstellation stagniert über weite Strecken. Vermeintlich geknüpfte Allianzen werden wieder verworfen. Es wird unverhohlen gegiftet und gewettert. Auch der Ekelfaktor wird vollends ausgekostet, wenn sich Figuren lustvoll über versiffte Kloschüsseln und daraus gerettete haarige Spinnen ausbreiten. Eingebaute evangelische Kirchenlieder werden mehr geschrien als gesungen. Inspiriert vom traditionellen japanischen Nō-Theater und der gemeinsamen Probenarbeit mit den Schauspielern schuf Gavin Quinn eine über weite Strecken unterhaltsame Komödie, welche die Künstlichkeit, Einsamkeit und den schönen Schein des amerikanischen Traums am Beispiel eines Supermarktteams zelebriert.'' schreibt
Ansgar Skoda am 13. April 2018 auf
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