Zum Inhalt: In Zeiten der weltweiten Virus-Pandemie setzen wir uns mit einer anderen Krankheit auseinander: mit dem des Krank-werdens an der Welt, des Leidens an einem als ungerecht empfundenen gesellschaftlichen Zustand und der Verzweiflung, dafür keine Linderung bewirken zu können: Am 9. März 1835 flieht Georg Büchner nach Straßburg, am 13. Juni erscheint ein Steckbrief, der ihn zur Strafverfolgung ausschreibt. Der Grund: die Abfassung seiner Flugschrift „Der Hessische Landbote“, die zum gewaltsamen Aufstand aufrief und seine Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung namens "Gesellschaft für Menschenrechte". Büchner entdeckt bei seinem Aufenthalt in Straßburg die Figur eines anderen Flüchtlings, der sich ein halbes Jahrhundert zuvor dort aufgehalten hatte: Jakob Michael Reinhold Lenz.
Mit: Annina Euling, Christian Czeremnych, Christoph Gummert und Daniel Stock
Regie: Armin Petras Bühne: Tom Musch Kostüme: Katja Strohschneider Musik: Jörg Kleemann Licht: Sirko Lamprecht Dramaturgie: Carmen Wolfram
''Neben der filmischen Ebene sorgt in Petras Inszenierung auch eine musikalische Ebene für Vielstimmigkeit. Not gonna get us vom russischen, vorgeblich lesbischen Pop-Duo t.A.T.u. wird eingespielt, wenn Lenz das Zwiegespräch mit einem weiblichen Gegenüber sucht. Trettmanns Rap-Gesang aus Geh Ran übertönt bald eine Konversation in der Oberlin Lenz mit sich wiederholenden Floskeln einen Abschied und eine Heimreise zu dessen Eltern nahelegt: „Dein Telefon es klingelt/ irgendwer ruft an/ als wäre alles so wie immer/ doch du gehst nicht mehr ran.“ Am Ende erklingt aufdringlich eine bekannte Melodie einer Blockbuster-Reihe. Eine basslastige alte Leier übertönt hier Lenz eigenes Lebensleid.
Die Aufteilung der zentralen Figur auf drei Darsteller irritiert anfangs etwas. Es wirkt arg assoziativ und improvisiert, wenn sich die männlichen Darsteller auf der Bühne synchronen Atemübungen und einem Wettbewerb im Luftanhalten hingeben. Wirklich originell ist es auch nicht, wenn ein Lenz-Darsteller mehrfach „HERZ“ auf ein Papier krakelt und dann die Zeichnung mit Wasser übergießt. Albern mutet es gar an, wenn Steckenholzpferde aus einem Eimer getränkt werden. Lenz wahnhafte Erkrankung und das Ver- und Entrückte einer Psychose und Schizophrenie geraten ein bisschen ins Hintertreffen. Es braucht buchstäblich einen langen Atem, um am Ende die Radikalität und Poesie in den Gedanken Büchners und Lenz‘ wiederzuentdecken.'' schreibt Ansgar Skoda am 14. September 2020 auf KULTURA-EXTRA